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Nachricht vom 05.12.2022
Region
Über Scheuerfeld bis nach Langenbach: Holzanlieferung auf der Schiene?
Es ist ein ambitionierter Plan, die Reaktivierung eines Abschnittes der Stammstrecke der Westerwaldbahn zwischen Steinebach-Bindweide und Weitefeld sowie eine mögliche Fortführung der Trasse über die Kreisgrenze hinweg bis zum Sitz der Firma Westerwälder Holzpellets GmbH in Langenbach (bei Kirburg/Westerwaldkreis).
Markus Mann begutachtet schon einmal im Vorgriff auf die Entscheidung des Altenkirchener Kreistages die Trasse. (Foto: Copyright WÄLLER ENERGIEZEITUNG)Altenkirchen/Langenbach. Die Natur bemächtigt sich langsam aber sicher der Trasse, auf der einst Züge unterwegs waren zwischen Steinebach-Bindweide mit dem Betriebshof der Westerwaldbahn (Weba/100-prozentige Tochter des Kreises Altenkirchen) und dem Endpunkt der Strecke in Weitefeld, die sich im Besitz des Kreises befindet und auf der der Transport von Material zum 31. Juli 2017 eingestellt wurde. Als Folge dessen wurde der Abschnitt vom Landesbetrieb Mobilität entwidmet, die Infrastruktur (Gleise und Schwellen) ist nur minimal verschwunden wie beispielsweise ein Bahnübergang in Elkenroth. Der Abschnitt zwischen dem Abzweig von der Siegstrecke in Scheuerfeld und Steinebach-Bindweide wird nach wie vor genutzt und soll in absehbarer Zeit saniert werden. Der Altenkirchener Kreistag wird sich, so der derzeitige Stand, in seiner Zusammenkunft am Montag, 19. Dezember, mit der Zukunft des aktuell nicht genutzten Teils der Weba-Stammstrecke beschäftigen. Ein Verkauf steht zur Diskussion, mindestens zwei Interessenten haben jeweils ihren Hut in den Ring geworden, um den Verkehrsweg zu erwerben. Markus Mann, der geschäftsführende Gesellschafter der Firma Westerwälder Holzpellets GmbH (WWP), verdeutlicht in einem Interview mit den Kurieren als einer der Bewerber, warum sein Unternehmen so großes Interesse an einer Übernahme des Schienenstrangs hat, und erläutert den Gedanken, ihn für Holztransporte bis zum Firmensitz in Langenbach (bei Kirburg/Westerwaldkreis) verlängern zu wollen.

Warum möchten Sie und Ihr Unternehmen die Eisenbahnteilstrecke kaufen?
Zukunftsträchtige Industrien, die nachhaltige Produkte herstellen, brauchen eine gute Infrastruktur und weitsichtige Innovationen. Während es sich unsere Gesellschaft über Jahrzehnte leisten konnte, die Verkehrsinfrastruktur recht einseitig mit einer Fokussierung auf die Straße zu entwickeln, ist auch hier eine Zeitenwende eingetreten. Nicht nur ökologische Verkehrswege, sondern auch personalsparende Transportsysteme braucht unsere Gesellschaft in Zukunft. Hierzu zählt die Reaktivierung der Strecke Bindweide–Weitefeld gleichermaßen wie der Wunsch nach Verlängerung der Trasse bis Langenbach.

Wie ist der aktuelle Stand der Produktion?
Derzeit werden in Langenbach pro Jahr etwa 130.000 Festmeter Rundholz zu Schnittholz und Holzpellets verarbeitet. Im Jahr 2024 soll eine zweite Sägelinie in Betrieb gehen, und damit wird einerseits das Rohstoffsortiment erweitert, und andererseits werden damit die Mengen gesteigert. Der Bedarf an diesem in Langenbach gesägten Rundholz zum Beispiel für die Verpackung hochwertiger Maschinen wächst in der Region. Und das große Problem: Das für die Produktion benötigte Holz gibt es vor der Haustür wegen des Klimawandels nicht mehr in ausreichendem Maß, um zum Beispiel die heimische Bauindustrie mit dem wichtigen Rohstoff zu versorgen. Die Späne, die beim Sägen anfallen, sind kein Abfall, sondern ein hochwertiger, energiereicher Rohstoff und werden zu Pellets gepresst.

Wie läuft denn die Produktion von Holzpellets ab?
Mit dem „Abfall“ aus einem benachbarten Sägewerk in Langenbach, den Hackschnitzeln, vor Augen, habe ich 2001 die „Westerwälder Holzpellets GmbH“ gegründet, ließ diese Späne mit Hilfe der Abwärme aus meinem Biomasse-Heizkraftwerk trocknen und sie im Anschluss in der ersten großtechnischen Holzpelletsproduktion Deutschlands unter hohem Druck zu umweltfreundlichen Pellets pressen. Die Beliebtheit der Presslinge nimmt weiter zu. Eine Prognose des Deutschen Pelletsinstituts geht davon aus, dass Ende des Jahres an die 650.000 Pelletsfeuerungen installiert sein werden und der Pelletsverbrauch in Deutschland erstmals die Schwelle von drei Millionen Tonnen überschreiten wird – und das sogar deutlich. Während die Deutschen ein Jahr zuvor noch rund 2,9 Millionen Tonnen des umweltfreundlichen Brennstoffs nutzten, werden es im laufenden Jahr vermutlich 200.000 Tonnen mehr sein – eine Zunahme von fast sieben Prozent. Wahrscheinlich sind ein gestiegenes ökologisches Bewusstsein als auch zugleich der entsetzliche und die Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen offenbarende Krieg in der Ukraine Gründe für diese Veränderung. Ganz wichtig ist, dass für die Produktion von Pellets nicht ein einziger Baum extra gefällt werden muss.

Zurück zu Ihrem ambitionierten Vorhaben: Welche Transportmenge könnte auf die Schiene verlagert werden?
Ein Komplettzug beladen mit Rundholz trägt bis zu 1800 Festmeter bei einer Gesamtlänge von circa 500 Metern. Damit ein solcher Zug die Bergstrecke zur Bindweide schafft, muss er in vier bis fünf Teilstücke aufgeteilt werden. Oben angekommen, kann er mittels Rangieren wieder zusammengefügt werden und könnte mit einer Länge von 250 Metern bis nach Langenbach weiterfahren. Man kann heute noch nicht zu 100 Prozent sicher sagen, wie erfolgreich die Verlegung von der Straße auf die Schiene sein wird, geplant ist jedoch mehr als 60 Prozent der Rohstoffe per Bahn anliefern zu lassen. Denn Transporte, die Rundholz aus mehr als 250 Kilometern Entfernung per Lastkraftwagen befördern, werden zunehmend unwirtschaftlich und sind ökologisch ebenso wenig sinnvoll. Derzeit ist es bei uns daher so geplant, dass ein Werkanschlussgleis von der Rosenheimer Lay bis nach Langenbach geführt wird - ein Anschluss jedoch, der ausdrücklich jederzeit offen ist für Nachbarbetriebe und Förderung der regionalen Verkehrsinfrastruktur.

Befürchten Sie, falls Sie die Strecke erworben haben, Widerstand von Anwohnern entlang der Trasse?
Durch Gespräche mit Nachbarn der Bahnstrecke fand ich heraus, dass ein womögliches frühes Wecken durch den Signalton der Züge stören könnte. Hier werden wir als Nutzer der Strecke bestmögliche Lösungen suchen. Man kann hier ja über den Fahrplan und ebenso technische Lösungen an den Bahnübergängen und weitere Ansätze gegensteuern, damit die Menschen so ungestört wie möglich sind, wenn die Eisenbahn wieder fährt. Wir gehen davon aus, dass zukünftig im Mittel arbeitstäglich vier Fahrten zur Bindweide stattfinden. Wichtig ist, dass alle, die es betrifft, miteinander ins Gespräch kommen und im fortgesetzten Austausch bleiben, damit stets alle, die das Thema betrifft, auch sämtliche Argumente kennen. Darum: Wenn Fragen, Sorgen oder Ideen rund um das Bahn-Thema auftauchen, freue ich mich immer über eine Kontaktaufnahme.

Wie ist der weitere Streckenverlauf von Weitefeld bis zu Ihrem Firmengelände in Langenbach geplant, welches Eisenbahnunternehmen soll für Sie fahren, da die Westerwaldbahn ausscheidet?
Wir werden die Strecke von den Schäfer-Werken/WEW in Weitefeld an der 380-KV-Hochspannungsleitung orientieren. Das sind rund zweihalb Kilometer. Holzwaggons werden entweder als Komplett- oder Einzelzug bis nach Scheuerfeld geordert. Von dort übernimmt entweder die Kreisbahn Siegen, MZ-Eisenbahndienstleistungen oder zum Beispiel die Eifelbahn.

Auch der wirtschaftliche Aspekt für die Region ist gewiss nicht zu unterschätzen…
Wir wissen als Westerwälder Holzpellets um die Bedeutung eines zukunftssicheren Arbeitsplatzes im Zusammenhang mit Holz. Über 200 Familien in der Region um den Standort unseres Pellets- und unseres Sägewerkes sind von ihnen abhängig. Diese geben das dort verdiente Geld zudem in der Region aus – sei es im Supermarkt in Hachenburg, in der Eisdiele in Montabaur oder im Jeans-Shop in Altenkirchen, wodurch weitere Menschen im Oberen, Vorderen und Hohen Westerwald ihr Auskommen erzielen können. Hinzu kommt, dass die Westerwälder Holzpellets aufgrund ihrer Tätigkeit in Langenbach nicht unerheblich Steuern zahlen. Siebenstellig fließen Abgaben in die öffentlichen Kassen, aus denen wiederum der Betrieb von Kindergärten im Westerwald finanziert, Schulen renoviert und in der Region wichtige Verkehrsverbindungen gebaut werden können.

Dem Vernehmen nach bewirbt sich auch die Ortsgemeinde Elkenroth um einen Kauf der Bahntrasse, um einen Radweg auf ihr zu bauen: Würden Sie in einem solchen Fall Ihr Projekt komplett zu den Akten legen?
Nein, wir werden in einem solchen Fall das Holz auf jeden Fall bis zum „Bahnhof“ Rosenheimer Lay anliefern lassen, nachdem er umgebaut worden ist. Das ist für das nächste Jahr geplant. Ein Testzug, der bis dorthin gefahren ist und mit Holz beladen war, hat bewiesen, dass auch diese Möglichkeit praktikabel ist.

Im Falle des Erwerbs der Strecke bis Weitefeld: Welchen Zeitraum wird die Reaktivierung in Anspruch nehmen und welchen, bis die Trasse bis an den Firmensitz in Langenbach befahren werden kann?
Na ja, bei Bahnprojekten in Deutschland kann man nicht wirklich Zeithorizonte nennen. Wir sind halt leider nicht in der Schweiz. Es kommt ja auch immer auf die Kooperationswilligkeit aller Beteiligten an. Da kann so ein Projekt schon mal fünf bis zehn Jahre dauern. Je schneller, desto mehr haben unsere Mitarbeiter und mein Unternehmen zu versteuern.

Macht als „finale Lösung“ das Umladen in Weitefeld, falls die Verlängerung bis nach Langenbach scheitert, überhaupt Sinn?
In Weitefeld auf Lkw zu verladen würde keinen Sinn machen. Da kann man auch direkt an der Rosenheimer Lay auf die Straße gehen.

Kommen für die Finanzierung auch finanzielle Zuschüsse von EU, Bund und Land infrage?
Für Förderungen von Bund und Land gibt es klare Regeln und auch Verpflichtungen für den Fördergeldnehmer. Wir werden versuchen, die uns zustehenden Fördermittel zu erhalten. Klar ist aber auch, wenn man die Tonnage nicht fährt, zahlt man Zuschüsse zurück. Somit geht das alles aufs volle Risiko der Westerwälder Holzpellets GmbH. (vh)

Das Interview wurde zusammengestellt auch mit Auszügen aus der „Wäller Energiezeitung Kompakt“ mit freundlicher Genehmigung von WWP-Geschäftsführer Markus Mann.
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