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Nachricht vom 22.09.2022
Region
Wallmenrother Muhlau: Spatenstich für Klärschlamm-Großprojekt
Wie unterschiedlich interkommunale Zusammenarbeit doch entstehen kann. Wurde bei Fusionen von Verbandsgemeinden von Seiten des Landes teils mit ein wenig Druck nachgeholfen, so kamen diverse Gebietskörperschaften - sogar über Ländergrenzen hinweg und das ganz freiwillig - bei einem Großprojekt zusammen.
Wenn Erde fliegt: Beim offiziellen Spatenstich legten sich alle Akteure mächtig ins Zeug, so dass eine Schaufelladung sogar ungeahnte Höhen erreichte. (Foto: vh)Wallmenroth/Kreis Altenkirchen. In Zeiten, in denen Bund, Länder und Gemeinden finanziell zu knapsen haben, zeigt ein Projekt, dass es besser ist, an einem Strang zu ziehen. Und wenn dann noch die Umwelt dank geringerer Transportkilometer profitiert und infolgedessen auch weniger Kosten anfallen, werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. So war der Spatenstich für die neue thermische Klärschlammverwertungsanlage der „Kommunale Klärschlammverwertung Region Altenkirchen GmbH“ (KKV AK GmbH) am Freitagmorgen (23. September) ein Meilenstein unter dem Aspekt „interkommunale Zusammenarbeit“. Das Projekt wird auf dem Gelände der Kläranlage des Abwasserzweckverbandes (AZV) Betzdorf-Kirchen-Daaden in der Muhlau bei Wallmenroth realisiert. Als Gesellschafter fungieren neben dem AZV der Abwasserverband Hellertal (Stadt Herdorf und die Gemeinden Burbach, Neunkirchen und Wilnsdorf) sowie die Verbandsgemeinden (VG) Altenkirchen-Flammersfeld, Hamm, Wissen (sie entsorgt über Hamm), Selters, Dierdorf (sie entsorgt über Selters), Hachenburg und die Gemeinde Windeck. Die Investitionssumme beläuft sich netto auf 16,5 Millionen Euro. Jährlich sollen rund 16.000 Tonnen „behandelt“ werden. Der Start des Probebetriebs ist für Mai 2023 vorgesehen, fünf Monate später die abnahmereife Fertigstellung geplant.

„Zukunftsorientiert und nachhaltig“
Als „ein super Projekt, das zukunftsorientiert und nachhaltig ist“, klassifizierte der Betzdorfer Bürgermeister Bernd Brato als stellvertretender Vorsitzender des Verbundes den in Modulen zu bauenden Komplex, „die neue Anlage ist beispielhaft für Rheinland-Pfalz und vielleicht sogar für die gesamte Bundesrepublik Deutschland.“ Er habe noch nie im Kreis solch eine Kommunikation und solch ein Miteinander erlebt. Brato lobte diejenigen, die im Vorfeld sich des Themas angenommen hatten: „Diese Mitarbeiter haben unterwegs sehr viel Herzblut und viel Schweiß in die Sache gebracht. Was hier passiert, ist vorbildlich.“ Als Geschäftsführer des Generalunternehmers Werkstätten heating-systems GmbH aus Nordhorn bestätigte Nils Moggert die von Brato angeführte gute Harmonie und Zusammenarbeit und betonte die Freude, dass „es jetzt losgeht. Ich bin froh, dass wir diesen Weg zusammen gegangen sind“. Zudem sei er guter Dinge, dass der Terminplan passe. „Wir wagen hier kein Experiment, sondern greifen auf Bewährtes zurück“, spielte Moggert auf die zum Einsatz kommende Technik mit drei Verarbeitungslinien an, so dass eine Redundanz gegeben sei. „Wir bauen keine Emissionsschleuder, sondern nachhaltig sowie umweltschonend und arbeiten auch mit Energie, die wir aus der Trocknung gewinnen.“

KKV im Mai 2019 gegründet
Dass Klärschlamm aus kommunalen Reinigungsanlagen auf Äckern verteilt wurde, war auch im AK-Land nichts Ungewöhnliches. Die Landwirtschaft nutzte ein Großteil der in Rheinland-Pfalz anfallenden Schlämme als Dünger. Die Änderung der Klärschlamm- und Düngemittelverordnung im Jahr 2017 inklusive der bis zum Jahr 2032 zur Verpflichtung gemachte Phosphorrückgewinnung aus den Klärschlämmen ließ Handlungsbedarf entstehen. Eine Machbarkeitsstudie im Hinblick auf die Entsorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit aus dem Jahr 2018 empfahl im Ergebnis eine thermische Verwertung (Verbrennung) des Klärschlamms am Standort der Kläranlage Muhlau. Mit diesem Ansatz war eine Alternative, die den Transport des Klärschlammes in die thermische Verwertung nach Mainz beinhaltete, vom Tisch, zumal auch die große Entfernung in die Landeshauptstadt nicht unbedingt der Trumpf dieser Überlegung war. Im Mai 2019 wurde die KKV gegründet, als Gesellschafter fungierten alsbald die „abwasserbeseitigungspflichtigen“ Gebietskörperschaften des Kreises Altenkirchen. Es folgte die Ausschreibung für die Planung und den Bau einer thermischen Klärschlammverwertungsanlage per wettbewerblichem Dialog, der im November 2020 erfolgreich abgeschlossen wurde. Das wirtschaftlichste Angebot legte das Unternehmen aus Nordhorn in Niedersachsen vor, das kurz vor Weihnachten 2020 von der Gesellschafterversammlung den Auftrag zur technischen Umsetzung erhielt. Parallel wurden drei weitere Gesellschafter, die Verbandsgemeinden Hachenburg und Selters sowie die Gemeinde Windeck, aufgenommen. Dem Verbund steht der Bürgermeister der VG Altenkirchen-Flammersfeld Fred Jüngerich als Vorsitzender vor, der mit Brato alle zwei Jahre den Platz tauscht.

Genehmigung im Juli 2022
Der Antrag auf Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz wurde im März 2021 bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord eingereicht. Nach Abschluss des doch sehr umfangreichen und detaillierten Verfahrens erhielt die lokale GmbH im Juli 2022 die Genehmigung, nachdem auch Bedenken der Ortsgemeinde Wallmenroth aus dem Weg geräumt worden waren. Zuschüsse fließen natürlich auch: Die rheinland-pfälzischen Gesellschafter erhalten aus Mainz Förderungen in Höhe von insgesamt rund vier Millionen Euro. Ein Teil für die Arbeit der Anlage erforderliche Energie wird durch Fotovoltaikanlagen gedeckt, die auf den Dächern der Maschinenhalle und der Klärschlammlagerhalle installiert werden. Derzeit gehen die Betreiber davon aus, dass von 16.000 angelieferten Tonnen pro Jahr rund 2000 Tonnen übrig bleiben. „Unser Ziel ist es, dass diese Menge wieder dem Düngemittelkreislauf zugeführt werden kann“, sagte Beate Drumm als kaufmännische Geschäftsführerin. In einer Studie sei durch Wachstumsversuche auf der Grundlage von Aschen aus einer vergleichbaren Anlage nachgewiesen worden, dass dies möglich sei. Rund 200 Tonnen „Restmenge“ (Filterstäube) müssen gesondert über eine Deponie (DK 4) bei Mayen entsorgt werden. Die Fachleute wissen, dass die Anlage so ausgelegt ist, dass sie Klärschlamm behandeln kann, der über einen Feststoffanteil zwischen 18 und 30 Prozent verfügt, in der Regel, so haben sich die Gesellschafter geeinigt, liefern sie „Ware“ an, die zwischen 22 und 25 Prozent enthält. Die KKV AK GmbH hat das rund 400 Quadratmeter große Betriebsgelände zunächst einmal für 20 Jahre vom AZV gepachtet. Während Drumm dem kaufmännischen Part der GmbH vorsteht (ebenfalls kaufmännische Leitern der VG-Werke Altenkirchen-Flammersfeld), hat Jürgen Arndt den Part des technischen Geschäftsführers inne. Zudem ist er Leiter der VG-Werke Betzdorf-Gebhardshain. Aus der VG Altenkirchen-Flammersfeld werden pro Jahr rund 2900 Tonnen Klärschlamm erwartet, vom AZV rund 2750 und aus Selters rund 2300. Die Mengen der weiteren Zulieferer: AVH rund 2200 Tonnen, Hachenburg rund 1800, Hamm 1300 und Windeck rund 1150, womit die Anlage als ausgelastet gilt. (vh)
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