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Nachricht vom 13.05.2022
Wirtschaft
Mehr Nachhaltigkeit: Stellschrauben für öffentlich-rechtliche Institutionen
Deutschland gehört zu denjenigen Ländern, die sehr umfassende staatliche Institutionen besitzen – allein schon durch den hier praktizierten Föderalismus. Was Nachhaltigkeit anbelangt, ist das unbedingt gut. Denn so gibt es viele verschiedene Stellen, die hier mit unseren Steuergeldern viel Gutes tun können. Wir haben in diesem Beitrag für dich einige wertvolle Möglichkeiten zusammengefasst, wie staatliche Akteur*innen in unserem Land diesbezüglich vorgehen können.
Staatliche Stellen haben viele Hebel, um ihrerseits den Nachhaltigkeitswandel zu beschleunigen. In diesem Beitrag liest du mehr über solche Stellschrauben. Symbolfoto: WW-KurierNachhaltigkeit mit Steuergeldern – bessere Vorzeichen?
Es gibt in Deutschland nur wenige, die nicht mehr Nachhaltigkeit wünschen. Du als Privatmensch und die meisten privatwirtschaftlichen Unternehmen sind jedoch dabei staatlichen Institutionen an einem Punkt unterlegen: Geld.

Bei uns ist das Geld kaum im Überfluss vorhanden. Zudem können wir es uns nur leihen, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind – je mehr Geld benötigt wird, desto strenger die Anforderungen. Bei privaten Unternehmer*innen kommt noch die unternehmerische „Pflicht“ hinzu, wonach sich Investitionen möglichst rasch rentieren müssen. All das sind Vorzeichen, durch die wir Nachhaltigkeit oftmals nicht so vorantreiben können, wie wir es vielleicht gern täten.

Auch für staatliche Institutionen wächst das Geld natürlich nicht auf Bäumen. Wohl aber haben sie durch die enormen Steuereinnahmen doch deutlich mehr Spielraum. Zudem ist es für solche Stellen in der Regel einfacher, sich Gelder zu leihen. Nicht zuletzt entfällt die erwähnte Verpflichtung zur raschen Rentabilität. Schon deshalb haben es diese Akteur*innen in der Hand, in Sachen Nachhaltigkeit etwas freier und umfangreicher zu agieren, als wir es können. Der angenehme Nebeneffekt: Weil alle diese Stellen letztlich uns Bürger*innen dienen, kommt jeder ausgegebene Cent uns wieder zugute.

Digitalisierung
In Deutschland beträgt das Verhältnis von Beamt*innen und öffentlichen Angestellten zu Bürger*innen 1:17. Bei den Erwerbstätigen waren 2019 10,9 Prozent aller Menschen direkt im staatlichen Dienst. Zuzüglich der Privatunternehmen, die ausschließlich im staatlichen Auftrag agieren, ist das eine beeindruckende Zahl – Deutschland ist nicht weniger als sein eigener wichtigster Arbeitgeber.

Angesichts dessen kannst du dir vielleicht ausmalen, welch dramatische Auswirkung in Sachen Nachhaltigkeit hier eine mit viel Elan vorangetriebene Digitalisierung hat. Stell dir dazu alles vor, was du über die diesbezüglichen Vorteile von uns normalen Arbeitnehmer*innen weißt und multipliziere es. Millionen von Personenkilometern, die eingespart werden können. Hunderttausende Aktenordner, die nicht mehr mit Papier gefüllt werden müssen. Die Wirkung ist enorm imposant.

Zwar hast du vielleicht gehört, dass es bei der Digitalisierung staatlicher Stellen etwas hapert. War tatsächlich so, stimmt aber mittlerweile kaum noch. Deutschland hat sich im Onlinezugangsgesetz (OZG) selbstverpflichtet, vom Bund bis hinab zu allen Kommunen alle Verwaltungsdienstleistungen bis Ende 2022 digital anzubieten. Über den Stand der Dinge kannst du dich im OZG-Dashboard live informieren.

Doch sind es nicht nur derartige Verwaltungsdienstleistungen (also mit Kontakt zu den Bürger*innen), die bei der Digitalisierung wichtig sind. Das diesbezüglich stärkste Erfolgsbeispiel stammt aus Baden-Württemberg. Dort sind die Behörden sehr weit fortgeschritten, das System VIS-Polizei einzuführen. Dabei handelt es sich um nicht weniger als eine Plattform, auf der Polizist*innen, Staatsanwält*innen und andere autorisierte Behördenmitglieder alle für die Polizei-, Ermittlungs- und diesbezügliche Verwaltungsarbeit relevanten Vorgänge auf einem System bearbeiten und austauschen können – statt wie bisher auf verschiedenen Programmen und mit papiernen Vordrucken. Was das für die Polizeiarbeit bedeutet, kannst du dir vielleicht ausmalen. Erleichterung ist ein viel zu mildes Wort. Fast noch stärker davon profitiert die Nachhaltigkeit.

Photovoltaik
Du lebst in einer Mietwohnung ohne Balkon? Dann ist für dich das Thema Photovoltaik wahrscheinlich nicht selbst umsetzbar. Höchstens kannst du einen Ökostromanbieter wählen. Doch wir verraten dir jetzt etwas: Niemand weiß in Deutschland wirklich genau, wie viele Gebäude der öffentlichen Hand gehören. Es gibt lediglich eine Gesamtzahl aller Bauten aus der Volkszählung anno 2011, damals gab es 19.070.791 Gebäude aller Art.

Über Hunderttausend davon, so schätzen Expert*innen, gehören in irgendeiner Weise dem Staat – also Bund, Land, Kreis oder Kommune. Was auf diesen Dächern möglich wäre, wird gerade in den meisten Bundesländern erkannt. Einige Wissenschaftler*innen glauben sogar, dass die Energiewende mit einem Schlag erfolgreich beendet wäre, würden auf jedem Rathaus, jeder Kaserne, jeder Halle einer Straßenmeisterei Solarplatten installiert.

Bayern etwa schätzte jüngst das Solarpotenzial seiner staatlichen Dächer auf 100 Megawatt Peak, nachdem FDP-Abgeordneter Sebastian Körber eine Anfrage an die Landesregierung gestellt hatte. Zum Vergleich: Eines der letzten deutschen AKW im Betrieb, Isar 2, bringt es auf eine elektrische Nettoleistung von 1.410 Megawatt.

Förderungen
Warum glaubst du, ist die Zulassung von E-Autos in jüngster Vergangenheit so sprunghaft angestiegen? Natürlich, die verbesserten Reichweiten und Ladeinfrastrukturen trugen ihren Teil dazu bei. Nicht von der Hand zu weisen, ist jedoch die Bedeutung des staatlichen Zuschusses beim Kauf. Würdest du heute einen Stromer bestellen, würde dir der Staat bis zu 9.000 Euro des Kaufpreises bezuschussen.

An diesem Beispiel siehst du schön die angesprochene finanzielle Hebelwirkung des Staates. Er kann es sich leisten, in Dinge zu investieren, die aus der streng wirtschaftlichen Sicht von Banken nicht so rasch lohnenswert wären. Hierzu sei deine Aufmerksamkeit vorwiegend auf zwei Institutionen gelenkt:

• Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in unmittelbarer Staatsverwaltung,
• die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als Anstalt des öffentlichen Rechts im Vollbesitz von Bund und Ländern.

Zwar gibt es noch weitere Institutionen. Diese beiden sind jedoch die wirklichen „Player“, was die Gewährung von Fördermitteln an Privatleute und Unternehmer anbelangt. Dazu gehören zu einem großen Teil Projekte aus dem Bereich Nachhaltigkeit. Die KfW beispielsweise hat allein zum Thema Immobilien zahlreiche Förderprogramme. Praktisch immer läuft es entweder auf erschwingliche Kredite oder direkte Mittelvergabe ohne Rückzahlung hinaus.

Ohne derartige Fördermittel der öffentlichen Hand wäre der Ausbau von Nachhaltigkeit in Deutschland auf einem schlechten Stand. Da sind sich alle Expert*innen einig.

Verkehrswendegestaltung
Praktisch sämtliche öffentlichen Straßen Deutschlands sind in staatlicher Hand. Damit ist er die einzige deutsche Institution, die eine echte Verkehrswende einleiten, ja geradezu anordnen kann. Das beste Beispiel kannst du derzeit in fast jeder größeren Stadt sehen: Überall sind die Kommunen dabei, ihre Kontrolle der Straßen auszunutzen, um Park- und Verkehrsraum für herkömmliche Pkw zu verknappen. Das soll die Menschen dazu bewegen, öfter auf alternative Mittel umzusteigen.

Gleichzeitig wird in diesen Städten (allerdings auch außerhalb davon) der Ausbau von Radwegen mit Macht und viel Geldeinsatz vorangetrieben, um eine solche Alternative anzubieten. Das mag zwar nicht jedem Autofahrer schmecken. Dem Klima und allen, denen es am Herzen liegt, tut es das aber sehr wohl. (prm)

Agentur Autor:
Christian Hallmann
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