WW-Kurier
Ihre Internetzeitung für den Westerwaldkreis
Nachricht vom 07.09.2021
Politik
Altenkirchen und Kirchen: Ärztlicher Bereitschaftsdienst soll gekürzt werden
Der Unmut ist immens: Die sechs hauptamtlichen Bürgermeister des AK-Landes haben die geplante Reduzierung der Erreichbarkeit in den Bereitschaftsdienstzentralen in den DRK-Kliniken Altenkirchen und Kirchen sowie das Nichtantasten der Öffnungszeiten im DRK-Krankenhaus Hachenburg in einem Offenen Brief an die Kassenärztliche Vereinigung aufs Schärfste kritisiert.
Im DRK-Krankenhaus Altenkirchen sollen auch die Öffnungszeiten der Bereitschaftsdienstzentrale stark beschnitten werden. (Foto: Archiv vh)Kreis Altenkirchen. Erst war es das DRK-Krankenhaus, das Altenkirchen alsbald Richtung Müschenbach verlieren wird. Nun sind es die Öffnungszeiten der Bereitschaftsdienstzentren in den DRK-Kliniken Altenkirchen und Kirchen, die beschnitten werden, das Pendant in der DRK-Klinik Hachenburg aber ungeschoren davonkommt, Patienten also gezwungen werden, für einen Arztbesuch abseits der normalen Sprechstunden deutliche weitere Strecken und damit längere Fahrzeiten auf sich zu nehmen. Obwohl die Aufgabenträger mit der DRK-Trägergesellschaft Süd-West (Krankenhäuser) und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV/Bereitschaftsdienstzentralen) unterschiedlicher Couleur sind und wohl unabhängig voneinander agieren, verfestigte sich der Eindruck, den Altenkirchens Bürgermeister Fred Jüngerich nach Bekanntwerden des KV-Plans so formulierte: „Ich habe Verständnis für betriebswirtschaftliche Gründe. Ich werde aber den Eindruck nicht los, dass Veränderungen im Gesundheitswesen politisch geprägt sind.“

Das soll realisiert werden
Was geplant ist: Der Standort in Altenkirchen soll vom 4. Oktober an nur noch mit dem Attribut „eingeschränkt“ geöffnet sein – nämlich mittwochs, samstags und sonntags bis 23 Uhr. Derzeit ist er montags, dienstags, mittwochs (bereits ab 14 Uhr) und donnerstags von 19 bis am Folgetag um 7 Uhr, von freitags 16 bis montags 7 Uhr (durchgehend) und an Feiertagen ebenfalls durchgehend besetzt. In Kirchen, dass den Status „Basis“ erhalten soll, könnte täglich nur noch bis 23 Uhr geholfen werden (die momentanen Zeiten sind mit denen noch gültigen in Altenkirchen identisch). Bereitschaftsdienstzentralen (in Altenkirchen seit dem 1. Dezember 2013) sind die „Stellvertreter“ für Hausärzte, wenn deren Praxen geschlossen sind und Wehwehchen behandelt werden müssen, die sich als nicht „krankenhaustauglich“ erweisen.

Vor vollendete Tatsachen gestellt
Jüngerich blickte zurück auf eine Videokonferenz mit dem Vorstandsvorsitzenden der KV, Dr. Peter Heinz, am 31. August, in der Heinz die beabsichtigten Änderungen kundtat. Warum pro Hachenburg und gegen Altenkirchen entschieden worden sei, „auf diese Frage erhielt ich keine Antwort“, sagte Jüngerich, der auch Sprecher der Kreisgruppe Altenkirchen im Gemeinde- und Städtebund (GStB) von Rheinland-Pfalz ist, „wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Die Art und Weise des Vorgehens und der Inhalt der Entscheidungen seien nicht nachvollziehbar. Als Folge dessen kamen die sechs hauptamtlichen Bürgermeister (der Verbandsgemeinden) im AK-Land überein, ihre Empörung schriftlich zu formulieren. Der entsprechende Brief erreichte die KV vorab als Mail, er wurde auf dem Postweg nachgeschoben. Ebenso wurde das Gesundheitsministerium als übergeordnete Behörde der KV mit dem Schreiben bedacht. Neben Jüngerich zählen zu den Unterzeichnern: Bernd Brato (VG Betzdorf-Gebhardshain), Wolfgang Schneider (VG Daaden-Herdorf), Berno Neuhoff (VG Wissen), Andreas Hundhausen (VG Kirchen) und Dietmar Henrich (VG Hamm).

Auszüge aus dem Schreiben
Auszüge aus dem Schreiben der Bürgermeister an die/das KV/Gesundheitsministerium: „… Nach einer erheblichen Beschneidung im Jahr 2014 folgte bereits zum 1. Juli 2020 die vollständige Schließung des Standortes in Wissen. … Noch drastischer trifft lhre beabsichtigte Regelung die Kreisstadt Altenkirchen. Lediglich mittwochs sowie samstags und sonntags soll der Bereitschaftsdienst bis 23 Uhr gewährleistet bleiben, während er an den übrigen vier Wochentagen in Gänze entfallen soll. Dies ist für die Kreisstadt Altenkirchen als Mittelzentrum nicht hinnehmbar! Die Umsetzung dieser weiteren geplanten Maßnahmen hat eine erneute erhebliche Schwächung der ärztlichen Versorgung in unserer ländlichen Region zur Folge. Die Wege sind für viele Menschen, insbesondere aus den nördlichen und südlichen Teilen unseres Landkreises sehr weit – Beispiele: Friesenhagen-Hachenburg = 37 Kilometer, Willroth-Hachenburg = 33 Kilometer.“

Gesamtbetrachtung erforderlich
Weiter heißt es: „Besonders ärgerlich ist dabei der isolierte Blick auf den Bereitschaftsdienst. Aus unserer Sicht ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der medizinischen Versorgung notwendig, die die Bereiche Hausarzt, Facharzt, Bereitschaftsdienst, Krankenhaus und Notdienst einbezieht. Eine reformierende Entscheidung auf ausschließlich betriebswirtschaftlicher Basis darf es nicht geben. Eine solche ist weder für die Menschen verständlich, noch berücksichtigt sie die gesamtgesellschaftlichen Folgen einer nicht ausreichenden medizinischen Versorgung, die von verstärktem Fachkräftemangel über Rückgänge beim Tourismus bis zum Wegzug junger Leute reichen. Wie Sie selbst wissen, haben es Patienten im ländlichen Raum schwer, einen Facharztermin in zumutbarem Zeitraum zu erhalten. Wer sich die Altersstruktur der Hausärzte, Kinderärzte, Gynäkologen oder Orthopäden im ländlichen Raum anschaut, der weiß, dass sich die Suche nach einem potenziellen Nachfolger aus Patientensicht schwierig gestaltet. Diesen schleichenden Prozess erkennen die Menschen hier vor Ort sehr gut.“

Weitere Verunsicherung
Auch das Aus fürs Krankenhaus in Altenkirchen fließt ein: „Hinzu tritt, dass das DRK-Krankenhaus Altenkirchen unseren Landkreis in Richtung Hachenburg verlässt So mancher Bürger fragt sich, ob damit einhergehend auch der Notarzt künftig aus Müschenbach anreisen muss, um beispielsweise einen Herzpatienten im 21 Kilometer entfernten Forst zu versorgen. Nach dem Aus für die ärztliche Bereitschaft in Wissen sowie der nun beabsichtigten deutlichen Schwächung der Standorte in Kirchen und Altenkirchen bei einem jedoch unveränderten Angebot in Hachenburg wird dies zu einer weiteren Verunsicherung insbesondere aber zu großem Unverständnis in der Bevölkerung führen. Auch wenn Sie sich in lhren Äußerungen auf lhre originären Zuständigkeiten berufen, so trifft Sie dennoch als Akteur innerhalb des Gesundheitswesens eine Mitverantwortung für die gesamte medizinische Versorgung. lhre Entscheidungen sind daher immer auch im Kontext der regionalen medizinischen Versorgunglage insgesamt zu betrachten. lhre Absicht, den Standort Hachenburg zu stärken und gleichzeitig die Standorte Altenkirchen und Kirchen zu schwächen, führt dabei aus Sicht der hiesigen Bevölkerung zu einer nicht akzeptablen Ungleichbehandlung.“

Nachfragen ausgewichen
Schließlich formulieren die Bürgermeister: „Es liegt uns fern, betriebswirtschaftliche Zahlen völlig auszublenden und den Fortbestand schlecht frequentierter und unwirtschaftlicher Einrichtungen zu postulieren. Gleichwohl hätten wir uns eine deutlich sensiblere Vorgehensweise sowie eine frühzeitige Einbindung in lhre Überlegungen gewünscht. Leider gab es keine gemeinsamen Gespräche im Vorfeld lhrer Entscheidung, und gewiss waren Sie zu solchen auch rechtlich nicht verpflichtet. Dennoch wurden die politisch Verantwortlichen im Landkreis Altenkirchen durch die Kassenärztliche Vereinigung als öffentlich-rechtliche Körperschaft vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Umstand, dass Sie, Herr Dr. Heinz, als Vorstandsvorsitzender während einer Videokonferenz ungewollten Nachfragen mit Hinweis auf lhr operatives Geschäft auswichen, trägt nicht gerade zur Vertrauensbildung bei. Vor diesem Hintergrund sehen wir uns außerstande, ihrer Bitte nachzukommen, die Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber unserer Bevölkerung zu vertreten.“ (vh)
Nachricht vom 07.09.2021 www.ww-kurier.de