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Nachricht vom 26.07.2021
Region
Quittung vor Gericht: Rabiater Vater verprügelt erwachsene Tochter
Es müssen nicht immer die medienwirksamen Strafverfahren wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung und Raub sein, die das Interesse der Öffentlichkeit wecken. Nein, auch hinter verschlossenen Türen innerhalb von Familien spielen sich regelrechte Dramen ab, über die man auch mal sprechen sollte.
Amtsgericht - Symbolfoto (Foto: Wolfgang Rabsch)Großholbach/Montabaur. Ein drastischer Fall von Gewalt innerhalb der Familie wurde am 27. Juli beim Einzelrichter des Amtsgerichts Monatabaur verhandelt. Den Vorsitz hatte Richter am Amtsgericht Jörg Staatsmann inne, der Angeklagte erschien mit seinem Verteidiger. Was die Vertreterin der Staatsanwaltschaft (StA) dem Angeklagten vorwarf, war alles andere als lustig: Die Anklagevorwürfe lauteten auf Körperverletzung, versuchte Nötigung und Beleidigung.

Was war geschehen? „Hexenjagd“ im Gerichtssaal?

Bei Renovierungsarbeiten in einem Haus in Großholbach soll der Angeklagte seine Tochter von einer Leiter gestoßen haben, nachdem beide in einen Streit gerieten. Die Tochter fiel zu Boden und rief: „Spinnst du?“. Daraufhin boxte der Vater seine Tochter in den Körper, würgte sie, und setzte sich auf sie. Als wäre das nicht genug, schrie er seine Tochter an: „Ich werde dir schon noch Respekt beibringen. Wenn du etwas sagst, werde ich dich umbringen, du Hure.“

Die Tochter zeigte den Vater bei der Polizei an, und besorgte sich sofort ein ärztliches Attest, welches die Verletzungen im Detail festhielt. Der Verteidiger meinte, dass sein Mandant zunächst nichts sagen würde. Er stellte aber fest, dass sich Bekannte von seiner Tochter und seiner Ex-Frau im Gerichtssaal befänden, dadurch würde gegen seinen Mandanten eine „Hexenjagd“ gestartet.

Angeklagter wusch seine Hände in Unschuld

Nach einer kurzen Denkpause, und einem Hinweis des Vorsitzenden, war der Angeklagte dann doch bereit, eine Aussage zu treffen. „Ich hatte eigentlich immer ein gutes Verhältnis zu meiner Tochter, dieses verschlechterte sich zusehends, als sie sich ein Haus in Großholbach kaufte. Für die erste Etage hatte ich bereits einen Mieter besorgt, die Wohnung musste noch renoviert werden, meine Tochter wollte unten wohnen. Dann plötzlich wollte meine Tochter doch oben einziehen, darüber kam es zum Streit, weil ich beim Mieter im Wort stand. Meine Tochter war überfordert und rastete mehrfach aus. Schließlich kam es zum Eklat, als ich unten mir einen Kaffee holen wollte, aus dem Zimmer, in welchen meine Tochter arbeitete. Sie stand dabei auf einer Stehleiter und schob diese vor die Ausgangstür. Damit ich den Raum verlassen konnte schob ich die Leiter beiseite, sie fiel dabei von der Leiter. Ich verließ den Raum, meine Tochter warf mir einen sogenannten Glättspan nach, der mich am Bein traf. Sie rastete aus, rannte gegen mich, bei meinem Abwehrversuch gingen wir beide zu Boden, dabei fiel ich auf sie. Sie versuchte, mir mein Gesicht zu zerkratzen, sie war in Rage. Ich konnte dann trotzdem das Haus verlassen.

Richter Staatsmann hielt dem Angeklagten das ärztliche Attest vor, und erinnerte an die Aussage der Tochter bei der Polizei. Auf die Frage des Vorsitzen, ob der Angeklagte bereits vorher seine Tochter und seine Ex-Frau geschlagen habe, gab der Angeklagte die entlarvende Antwort: „Dazu möchte ich nichts sagen.“

Der Vorsitzende erkläre zusätzlich, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) nicht zustande kam, weil der Angeklagte seine Tochter nicht als Opfer akzeptierte. Für den neutralen Beobachter entstand der Eindruck, dass der Angeklagte aus der Rolle des Angeklagten in die eines Opfers schlüpfen wollte. Dieser Spagat erzeugte ungläubiges Staunen im Sitzungssaal.

Nach dem dringlichen Hinweis des Vorsitzenden, nochmals über das Aussageverhalten nachzudenken, weil jetzt der Zeitpunkt für eine wahrheitsgemäße Aussage gekommen sei, und er seine letzte Chance beim Schopfe greifen soll, sagte der Angeklagte, nach kurzer Beratung mit seinem Anwalt: „Ich gebe die Tatvorwürfe zu, ich habe einen großen Fehler begangen. Ich liebe meine Tochter trotzdem, sie wird immer meine Tochter bleiben.“

Auf die Vernehmung der Zeuginnen wurde allseits verzichtet, sie verfolgten die weitere Verhandlung im Sitzungssaal. Der Angeklagte wandte sich an seine Tochter: „Ich entschuldige mich bei dir, es tut mir echt leid. Ich möchte, dass wir uns wieder als Vater und Tochter vertragen, es geht doch um unsere Familie“. Darauf erwidert die Tochter: „Papa, du musst eine Therapie machen, sonst geht das nicht.“

Der Angeklagte: „Ich bin bereit, eine Therapie zu beginnen, auch wegen meiner Aggressionen und wegen Gewalt, am besten wäre eine Familientherapie.

Das Urteil im Namen des Volkes wurde rechtskräftig

Die Beweisaufnahme wurde geschlossen, die Vertreterin der StA beantragte eine Verwarnung und unter Strafvorbehalt eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 70 Euro, als Bewährungsauflage eine Familientherapie und Teilnahme an einem Anti-Aggressions-Training. Der Rechtsanwalt schloss sich dem Antrag der StA an, beantragte lediglich eine geringere Geldstrafe. In seinem letzten Wort erklärte ein geknickt wirkender Angeklagter: „Ich will mit meiner Familie wieder ins Reine kommen.“

Richter Staatsmann verkündete dann das Urteil: Der Angeklagte wird verwarnt, unter Strafvorbehalt wird eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 Euro verhängt. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre, als Auflage hat der Angeklagte an einer Familientherapie, sowie an einem Anti-Aggressions-Kurs teilzunehmen.

In der Urteilsbegründung schrieb der Vorsitzende dem Angeklagten ins Stammbuch, dass er Glück gehabt habe, weil er im letzten Moment die Kurve bekommen habe, sonst wäre er nicht mit einer Verwarnung davongekommen. Zudem hätte er der Tochter und seiner Ex-Frau eine sie belastende Aussage erspart und er solle nun die Chance beim Schopfe greifen und durch die Therapien dafür sorgen, dass man vielleicht wieder normal und friedlich miteinander umgehen kann.

Das Urteil wurde sofort rechtskräftig. (Wolfgang Rabsch)
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