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Nachricht vom 24.06.2021
Vereine
Forderungen zum Tag der deutschen Buchenwälder am 25. Juni
Anlässlich des Tages der deutschen Buchenwälder fordert der Umweltverband Naturschutzinitiative e.V. (NI) gemeinsam mit über 60 weiteren Naturschutzverbänden, Organisationen und Stiftungen mehr Schutz für deutsche Buchenwälder.
Buchenwald im Nationalpark Hainich/Thüringen - Foto: Harry Neumann/Naturschutzinitiative e.V. (NI)Quirnbach. „Unsere in Vergessenheit geratenen Buchenwälder repräsentieren nicht nur unser nationales Naturerbe, sondern ein Stück weit auch unser kulturelles Erbe“, betonte Norbert Panek, Buchenwaldexperte und Wissenschaftlicher Beirat der NI.

Ehemals wuchsen sie in Mitteleuropa überall, heute müssen wir unsere Buchenwälder schützen, denn sie gehören zu den am meisten bedrohten Lebensräumen. „Deutschlands Buchenwälder sind trotz des bestehenden Natura 2000-Schutzregimes stark gefährdet. Sie stellen die von Natur aus prägende Vegetation Deutschlands dar. In den vergangen Jahrhunderten wurden die Buchenwälder in Deutschland jedoch mit nur noch acht Prozent ihrer ursprünglichen Verbreitungsgebiete auf Restareale zurückgedrängt. Alte, über 160 Jahre alte Buchenwälder sind so gut wie nicht mehr vorhanden, obwohl hier die Biodiversität am höchsten ist“, erklärte Harry Neumann, Bundesvorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI).

Der alternative Waldzustandsbericht der Naturwald Akademie Lübeck kommt zu dem Ergebnis, dass sich alle Buchenwaldtypen aus Naturschutzsicht in einem dramatischen Zustand befinden. Von den bisher europaweit 92.000 Hektar ausgewiesenen UNESCO-Welterbeflächen fallen auf Deutschland nur 4.400 Hektar. Diese reichen aber bei weitem nicht aus, um den ökologischen Anforderungen gerecht zu werden. Bislang wurde noch nicht einmal das Ziel der bundesweiten Biodiversitätsstrategie erreicht, fünf Prozent der Wälder bis 2020 aus der Nutzung zu nehmen. Wie eine Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) aus 2019 zeigt, konnte sich der Wald auf nur 2,8 Prozent der Waldfläche natürlich entwickeln. Das ist aus Sicht des Naturschutzes eine sehr ernüchternde Bilanz.

„Die derzeitige Waldpolitik hat den Wald in großen Teilen zum Industriegebiet und Holzlager degradiert. Angesichts der dramatischen Zustände wäre es aber notwendig, länderübergreifend und über alle Waldflächen hinweg nutzungsfreie Schutzgebiete, Naturwaldreservate, Wildnisgebiete und weitere Nationalparke nach einheitlichen Kriterien einzurichten und vor allem auch zu vernetzen“, betonten Panek und Neumann.

Gemeinsam mit über 60 weiteren Naturschutzverbänden, Organisationen und Stiftungen fordert die Naturschutzinitiative e.V. (NI) eine grundlegende waldbauliche Neuorientierung im Sinne einer ökosystemorientierten Waldbewirtschaftung:
1. Einrichtung von großen und kleinen nutzungsfreien Schutzgebieten, zehn Prozent der Wälder aus der Nutzung nehmen und zu Urwäldern von morgen entwickeln.
2. Sofortigen Holzeinschlagstopp in staatlichen Wäldern mit über 120-jährigen Buchenbeständen zur Sicherung der ökologischen Substanz.
3. Die Bewirtschaftung von Wäldern muss entsprechend der Europäischen Biodiversitätsstrategie naturnah erfolgen. Besonders schädliche Praxen wie Kahlschläge und Schirmschlag müssen eingestellt werden. Während und nach Hitze- sowie Dürreperioden muss die Waldnutzung reduziert und in empfindlichen Wäldern eingestellt werden.
4. Die energetische Holznutzung und der Papierverbrauch innerhalb der EU müssen deutlich reduziert werden. Die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffes Holz ist am Prinzip der Kaskadennutzung auszurichten. Frischholzverbrennung ist einzustellen. Die Holzmobilisierung ist erheblich zu reduzieren.
5. Keine Aufforstung mit Fremdbaumarten, schon gar nicht in Natura 2000-Gebieten, Vorrang für die natürliche Sukzession.
6. Schutz des natürlichen Wald-Innenklimas, der Böden und der Wasserretention.
7. Das umfassende Kernziel des Naturschutzes in Buchenwäldern muss eine zeitliche und räumliche Kontinuität des Waldstandortes, des Waldbodens und der Baumarten sein. Nur so können alle Waldentwicklungsphasen nebeneinander existieren, sich alte Bäume und verschiedene Totholztypen und -dimensionen sowie vielfältige Mikrohabitate entwickeln.
8. Gerade in Anbetracht des aktuellen Fichtensterbens brauchen wir mehr naturnahe Wälder, keine Aufforstung mit Fremdbaumarten, Vorrang für die natürliche Sukzession, Schutz des natürlichen Wald-Innenklimas, der Böden und der Wasserretention, keine Windkraft im Wald und den Wald als großflächiges Ökosystem für Flora und Fauna zu erhalten.
9. In naturnahen und geschlossenen Wäldern sind Bäume überwiegend robust gegenüber den momentanen Stressfaktoren. Gerade jetzt wäre es an der Zeit, dass sich die Bewirtschaftung unserer Wälder an ökologischen Gesichtspunkten ausrichtet und gescheiterte Betriebsmodelle aufgibt.

„Der Schutz unserer Wald-Ökosysteme muss in der aktuellen Situation endlich Vorrang vor allen ökonomischen Überlegungen haben. Der Forst muss sich dringend von der noch vorherrschenden „Holzfabriken-Wirtschaft“ und veralteten Betriebsmodellen endgültig verabschieden“, betonen Harry Neumann und Norbert Panek. (PM)
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