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Nachricht vom 24.05.2021
Kultur
Ausstellung in Molsberg: "Change! HochStand"
Gruppenausstellung mit Heike Kati Barath, Oliver Gather, Jan Gmeinhardt, Hubertus Hess, Sarah Iremonger, Paul Mayer, Minyoung Park, Beate Passow, Hans Pfrommer, Philipp Schönborn in der Emmanuel Walderdorff Galerie. Eröffnung: Sonntag, 30. Mai 2021 von 14 bis 18 Uhr.
Arbeit von Oliver Gather. Fotos: Galerie Emmanuel WalderdorffMolsberg. Es gibt Ikonen, die so tief eingebrannt sind ins kollektive Bildgedächtnis, dass man sich über ihre besondere Bedeutung gar nicht mehr aktiv bewusst ist. Der Hochstand zählt zu dieser seltenen Art. Dass allgemein die Jagd ihren festen Platz im stereotypen Bild über die Deutschen und ihr Land einnimmt, ist unstrittig. Dabei ist sie in der Praxis für den Großteil der Bürger eine recht ferne Angelegenheit, denn nur ein geringer Teil der Bevölkerung ist im Besitz eines Jagdscheins. Der Hochstand jedoch ist für alle sichtbar, die sich nicht ganz unaufmerksam durch die Welt bewegen. Er begegnet einem jeden von uns immer wieder bei Spaziergängen und Ausflügen.

Die Künstler der Ausstellung „Hochstand“ finden in seiner motivischen Ambivalenz und seiner Weigerung sich eindeutig einzuordnen eine spezifische Qualität. Denn für ein Gebilde, dessen Existenz so radikal auf einer simplen Zweckmäßigkeit beruht, birgt es eine enorme Formenvielfalt und ein erhebliches Maß an ikonographischer Eigenständigkeit. Die Ambition des Waidmanns, sein Bauwerk möglichst nahtlos in die Natur zu integrieren, teilt er mit so manchem Architekten. Gleichzeitig repräsentiert der Hochstand in seiner Archaik so etwas wie die Urform von Architektur überhaupt. Als reines Symbol wiederum verkörpert er einen Ort der Ruhe, aber insbesondere als historisches Motiv auch die Herrschaft und das damit verbundene Privileg zur Jagd.

Hinter alledem steht der Hochstand mit seinem ganz pragmatischen Hintergrund jedoch auch für eine ungemütliche und im Kontext der Ausstellung zentrale Erkenntnis: In Zeiten, in denen ein Großteil unserer Bäume dem Untergang geweiht ist, bleibt der Wald kein Ort des reinen Idylls mehr, sondern ist längst ein solcher, an dem die Krise direkt lesbar wird. Bei der Aufforstung mit Baumarten, die den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind, wird die Jagd, indem sie die Schäden durch Wildverbiss an jungen Pflanzungen reguliert, eine wesentliche Rolle spielen.

In diesem Spannungsfeld der konträren Deutungen und Bedeutungen führt die Molsberger Ausstellung Künstler zusammen, die in der Auswahl des Motivs einen gemeinsamen Nenner fanden, dem sie sich jedoch von weit voneinander entfernt liegenden Positionen aus nähern. Da ist die über sieben Meter hohe Ölmalerei Heike Kati Baraths, die für ihre entwaffnenden Figuren im Großformat bekannt ist. Auf dieselbe Weise inszeniert sie ein nicht enden wollendes Untergestell einer Kanzel als groteske Holzwerdung des sprichwörtlichen Elfenbeinturms.

Daneben zeigt Jan Gmeinhardts Diorama die einsame Szene eines Hochsitzes in einer steppenartigen Landschaft, die wirkt wie ein dystopischer Blick in die Zeit nach der Klima-Apokalypse. Doch der Eindruck täuscht: Sowohl seine Miniatur als auch seine Ölmalerei finden ihre Entsprechung tatsächlich weder in der Zukunft noch in der Vergangenheit, sondern im Hier und Jetzt.

Bei Minyoung Park zeigt sich der Wald als dynamische Kulisse, fast wie getaucht ins Neonlicht einer modernen Großstadt. Der Hochstand taucht auf als Rückzugsort, auch für den Betrachter, der inmitten der flirrenden Acrylmalerei den Blick ruhen lassen kann.

Daneben reicht Hubertus Hess ein Holzblock auf einer Klappleiter, vorne die Trophäe eines Rehbocks und hinten ein Bambi-Figürchen, um das Sujet eindeutig aufzurufen. Die Reduktion erfolgt in erleuchtender Analogie zur oft verklärten Erzählung vom Wald als intaktes Ökosystem.

Paul Mayer findet in seiner langjährig angelegten Portraitserie eine einzigartige Freiheit der Form, die sich bei den teils waghalsigen Holzkonstruktionen Bahn bricht und dabei zum Bindeglied wird zwischen konstruktiven und organischen Elementen der vom Menschen geprägten Landschaft.

Daneben weisen Philipp Schönborns Collagen, die den Wald in Form von kaleidoskopisch arrangierten Fotografien einfangen, von einer natürlich-schöpferischen Ordnung im vermeintlich chaotischen Zusammenspiel der Stämme, Äste und Blätter.

Hans Pfrommer begibt sich für seine malerische Annäherung an das Thema in die Perspektive des Gejagten. Mit seinem charakteristischen Gespür für den Moment fängt er den unwahrscheinlichen Sekundenbruchteil ein, in dem einer imaginären Beute ihre missliche Lage bewusst wird.

Daneben steht in humorvoller Verbundenheit der Hochsitz mit vergoldeter Kanzel, den Beate Passow 1988 gegenüber des Prinz-Carl-Palais aufstellte, und von dem aus der politisch Andersdenkende theoretische Zielübungen auf den streitbaren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß ausführen konnte.

Sarah Iremonger nutzte das bestehende und unerschöpflich breite Netzwerk der in Deutschland stehenden Hochstände zur Gründung einer fiktiven Partei, deren Repräsentanten die Bauwerke selbst sind und beleuchtet damit auch die schattigen Seiten der Jagd als politisches Hinterzimmer.

Im angrenzenden Park zur Ausstellung führt Oliver Gather das Augenmerk zurück auf den Menschen, indem er eine kontemplative Kanzel als materialisierte Selbstreflexion konstruiert: Da wo die Luke sonst den Blick freigibt in die Landschaft, führt bei Gathers Bau eine schlaufenförmige Röhre zurück in die Kanzel. So schließt sich ganz buchstäblich ein Kreis.

Am Eröffnungstag, 30. Mai 2021: Begrüßung und Einführung um 14:30 Uhr, im Anschluss Musik von Kohmann/Weiß. Adresse: Emmanuel Walderdorff Galerie, Hauptstraße 41 in 56414 Molsberg. www.walderdorff.net. Ab diesem Zeitpunkt sind alle drei Ausstellungen bis zum 11. Juli 2021 bei Ab diesem Zeitpunkt sind alle drei Ausstellungen bis zum 11. Juli 2021 bei Emmanuel Walderdorff zu sehen.

Weitere Termine zu "Change!":
Führung durch Ausstellungen mit anschließender Wildtierbeobachtung vom Hochsitz aus: 12. Juni 2021, 18:30 bis 21:30 Uhr mit Emmanuel Walderdorff und Philipp Schiefenhövel.
       
 
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