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Nachricht vom 20.04.2021
Region
Güterverkehr startet am 3. Mai wieder auf der Holzbachtalbahnstrecke
Alles neu macht der Mai?! In diesem Fall nicht ganz, aber immerhin schon mehr als ein bisschen. Mit Beginn des Wonnemonats wird ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Holzbachtalbahnstrecke aufgeschlagen, nachdem in den vergangenen Monaten der Schienenstrang schon an vielen Ecken und Enden saniert worden ist.
An vielen Stellen der Holzbachtalbahnstrecke zwischen Altenkirchen und Selters sind schon solche Betonschwellen ins Gleisbett eingebaut worden. (Foto: vh)
Altenkirchen. Es kommt wieder mehr Leben in den Altenkirchener Bahnhof. Dafür sorgt nicht ein erweitertes Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs. Zumindest zweimal an Werktagen machen auch wieder Güterzüge Station auf den vor vielen Jahrzehnten immens stark befahrenen Gleisen. Die Holzbachtalbahnstrecke zwischen der Kreisstadt und Selters wird am Montag, 3. Mai, offiziell für Transporteinheiten freigegeben.

Ein großes Tamtam ist nicht geplant. "Feierlichkeiten kann es aufgrund von Corona derzeit nicht geben, aber die eigentliche Ertüchtigung dauert ja auch noch bis 2022 an", berichtet Josef Högemann, Pressesprecher des neuen Eigentümers des rund 33 Kilometer langen Abschnitts, der Lappwaldbahn Service GmbH aus Weferlingen in Sachsen-Anhalt, die den Sektor von der kreiseigenen Westerwaldbahn (Weba) erworben hat. Erster Nutzer mit jeweils einem Zug in beide Richtungen von montags bis samstags ist DB Cargo, weitere Verkehre unter anderem für Holz, "wofür eine große Nachfrage besteht", sind in der Planung. "Wer diese und weitere Züge fahren wird, ist jedoch noch offen. Hier dürften auch andere Eisenbahnverkehrsunternehmen zum Zuge kommen", ergänzt Högemann auf Anfrage des AK-Kuriers.

Zeitverzug wieder aufgeholt

Der Auftakt der rund 14 Millionen Euro verschlingenden Instandsetzung, die im Herbst des vergangenen Jahres begann, verlief und verläuft plangemäß. "Durch eine Hochwasserphase und den Wintereinbruch mussten unter anderem die Brückenbauarbeiten vorübergehend eingestellt werden. Der kurzzeitige Stillstand konnte jedoch schnell wieder aufgeholt werden", blickt Högemann zurück.

Neben dem Austausch von fünf Querungen (Stahlvarianten ersetzen Betontragwerke) wurden Abschnitte des Oberbaus mit neuen Betonschwellen und einem neuen Schotterbett ausgestattet. Auch mussten Weichen älterer Jahrgänge neuen mit Betonschwellen weichen. "Dieses erfolgte nicht nur im Bereich der Bahnhöfe, sondern auch im Bereich der noch vorhandenen Anschlussgleise. In den Tagen bis zur Aufnahme des Verkehrs erfolgen weitere abschließende Arbeiten", dazu zähle, so Högemann, unter anderem das Stopfen und Richten der umgebauten Streckenbereiche.

Schließlich werde in den kommenden beiden Jahren der Oberbau auf der gesamten Strecke grundhaft ertüchtigt. Dies geschehe unter "rollendem Rad", eine Sperrung ist also nicht mehr erforderlich. Noch Hand anlegen müssen Bauarbeiter an die unbeschrankten Bahnübergänge. Der neuralgischste, der Treffpunkt von Straßen- und Bahnverkehr in Dierdorf (B 413), soll noch in diesem Jahr mit Lichtzeichen und Halbschranken in puncto Sicherheit um Längen nach vorne gebracht werden. Bislang erfolgt per menschlichem Posten und Flaggensignal die Vorfahrtsregelung. Für weitere Kreuzungen gibt es schon einen ungefähren Zeitplan, wie Högemann darlegt: "Sechs sind bislang für 2022 geplant. Alles hängt von den notwendigen Genehmigungen ab."

Keine gesonderte Genehmigung

Apropos Genehmigung: Laut Högemann ist für die Wiederaufnahme des Zugverkehrs keine gesonderte Erlaubnis übergeordneter Stellen erforderlich. Die Lappwaldbahn habe eine Genehmigung nach dem allgemeinen Eisenbahngesetz zum Betrieb der Strecke. Aufgrund der Bauarbeiten habe der firmeneigene Eisenbahnbetriebsleiter die Strecke gesperrt und werde die Sperrung nach Abschluss der Arbeiten wieder aufheben. "Kontrollen führt nicht das Eisenbahn-Bundesamt, sondern die Landeseisenbahnaufsicht durch.

Die dort beschäftigten Mitarbeiter sind aber meistens vom Eisenbahn-Bundesamt, unterstehen jedoch den Ländern, von welchen sie auch bezahlt werden. Die Landeseisenbahnaufsicht führt in regelmäßigen Abständen als unsere lokale Aufsichtsbehörde gemäß den Eisenbahnlandesgesetzen Kontrollen bei uns durch: maximal einmal pro Jahr, im Regelfall eher einmal alle drei Jahre", taucht Högemann ein wenig tiefer in die Grundlagenmaterie des Eisenbahnbetriebs ein und ergänzt: "Die Strecke wird ertüchtigt und nicht neu gebaut. Daher werden jeweils die einzelnen Gewerke von Fachleuten geprüft und genehmigt."

Eröffnung am 31. Mai 1884

Die Bahnstrecke zwischen Altenkirchen und Siershahn (eröffnet am 31. Mai 1884) wurde von 1887 bis zum 2. Juni 1984 auch im Personenverkehr genutzt. Eine Reaktivierung der Verbindung im Personenverkehr ploppt hin und wieder auf, im Jahr 2004 fanden Probefahrten mit einem Triebwagen der Vectus-Verkehrsgesellschaft zwischen Altenkirchen und Raubach statt.

Im Jahr 2006 wurde die seit 1999 stillgelegte Strecke zwischen Selters und Raubach reaktiviert, nachdem die Infrastruktur 2005 Eigentum der Weba geworden war. Somit konnte sie wieder Güter den Kunden zwischen Altenkirchen und Selters zustellen. 2017 erreichte die Transportmenge ihren Höchstwert von 230.000 Tonnen (vor allem Stahlcoils für die Firma Schütz in Selters). Im Juni 2017 aber hatte der Kreistag Altenkirchen schon die Kündigung der Kooperationsvereinbarung mit DB Cargo sowie die Einleitung eines Stilllegungsverfahrens für die Holzbachtalbahn durch die Weba zum 31. Dezember 2017 beschlossen. Der Güterverkehr wurde schon Anfang Dezember 2017 komplett von DB Cargo übernommen. Im Jahr 2018 stimmte die Gesellschafterversammlung der Weba einem Übernahmevertrag mit der Lappwaldbahn zu. Rund anderthalb Gleiskilometer verlaufen auf dem Werksgelände von Schütz in Selters und durchqueren sogar Betriebshallen. Die restlichen sechs Kilometer zwischen Selters und Siershahn (Unterwesterwaldbahn von und nach Limburg) hat Schütz von DB Netz gepachtet.

Vier Unternehmenszweige


Die Lappwaldbahn-Unternehmensgruppe besteht aus mehreren Einzelunternehmen mit einem Eisenbahnverkehrs-, einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen, einer Fachwerkstatt für Eisenbahnfahrzeuge sowie einem Gleisbauunternehmen. Der Name Lappwald bezieht sich auf einen Höhenzug an der Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen (nördlich von Helmstedt). Das Unternehmen LWS hat schon einige Erfahrung mit der erfolgreichen Übernahme von vermeintlich perspektivlosen Eisenbahnstrecken und betrat im Westerwald keineswegs Neuland. Erfolgreiche Streckensanierungen sind aus dem Bereich Niedersachsen/Sachsen-Anhalt als auch aus Nordrhein-Westfalen bekannt. Insgesamt weist das LWS-Schienennetz nunmehr eine Gesamtlänge von 135 Streckenkilometern auf. (vh)
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