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Nachricht vom 10.04.2021
Region
Lockdown, Lockdown light, Lockdown hart, Brückenlockdown
Immer weniger Bürger können die Entscheidungen der Politik verstehen und nachvollziehen. Ihnen fehlt eine klare Strategie. Ein gewisser Frust macht sich bei den Bürgern breit. Der nachstehende Leserbrief beschreibt dieses Empfinden.
Der Brief im Wortlaut:
„Sehr geehrte Frau Weber, sehr geehrte Frau Dreyer,
ich bin Bürgerin des Landes RLP, wohnhaft im Westerwald. Ich bin eine 33-jährige Risikopatientin, deren Impfung mit Prio-Gruppe 3 noch in einiger Ferne liegt. Ich arbeite Teilzeit im Büro. Die andere Hälfte meines Lebensunterhaltes verdiene ich mit meiner Arbeit als selbstständige Autorin. Ich bin all dies, vor allem bin ich aber eines: Wütend. Erschöpft. Müde. Enttäuscht.

Online engagiere ich mich schon seit Wochen für die NoCovid-Strategie, für einen „harten“ Lockdown, der jetzt weh tut, aber langfristig für uns alle Perspektiven und Hoffnung schafft. Für uns Risikopatient*innen, die sich nicht isolieren können, für uns Künstler*innen, deren Berufe seit einem Jahr teilweise vollständig stillliegen, für die kleinen Unternehmen, die kaum mehr planen können bei dem ständigen Öffnen und Schließen, für uns Arbeitnehmer*innen, die in die Fabriken und in die Büros müssen, wo wir nicht ausreichend geschützt sind, für Familien, die ihre Kinder in die noch schlechter geschützten Schulen schicken müssen, weil Sie und Bund und Länder in den letzten Jahren und Jahrzehnten versagt haben, eine vernünftige Bildungs- und Digitalisierungspolitik auf die Beine zu stellen. Ich verfolge aufmerksam die wissenschaftliche Arbeit von Professor Drosten, Professorin Brinkmann, Professorin Ciesek und all die Apelle der Intensivmedizin und des Pflegepersonals. Ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich wiederhole, was die Wissenschaft sagt: Es ist ernst. Es ist nicht erst seit gestern ernst, sondern seit Wochen.

Die wachsende Verleugnung von wissenschaftlichen Fakten und Empfehlungen in den politischen Reihen besorgt mich. Wir machen dieselben Fehler seit Wochen und Monaten. Wieder und wieder. DAS ist das, was den Frust in der Bevölkerung auslöst, nicht der eigentliche "Lockdown". Wir haben kein Ziel vor Augen, keine kluge Strategie, sondern halten starr an halbgaren Maßnahmen fest, die mehr zerstören als sie nutzen. Die jeden Tag hunderte Leben kosten und noch mehr gesundheitlichen Schaden bringen.

Ich bin Teil der Mehrheit in Deutschland, die sagt: So geht es verdammt nochmal nicht weiter. Wir sind kein Kollateralschaden für die Politik, die Bund und vor allem Länder, leider auch Sie, gerade betreiben: Öffnungen (oder keine Verschärfungen) bei viel zu hohen Inzidenzen, die Verweigerung von verpflichtenden Tests an Schulen und den Arbeitsstätten, die Verweigerung von Homeoffice-Pflicht, solange die Menschen nicht alle ein Impfangebot haben. Wir sind müde, dass man Grenzwerte einfach erhöht, anstatt die Pandemie selbst zu bekämpfen. Wir sind müde, die immergleichen Ausreden zu hören, warum das alles nicht geht. Wir, Arbeitnehmer*innen, wir sehen jeden Tag in der Praxis, was die auf Freiwilligkeit beruhenden Appelle an Wirtschaft und Arbeitgeber*innen bringen: Kaum etwas.

Ich bin auch noch etwas, das Sie angesichts der vermutlich lauteren Rufe aus Wirtschaftsverbänden nicht hören oder lesen können: Ich bin Wählerin. Ich bin, wie viele Wähler*innen der Auffassung, dass das, was Sie, Bund und Länder tun, fahrlässig, möglicherweise sogar vorsätzlich ist. Und ich bin bereit, dies bei der Bundestagswahl zu berücksichtigen und mir eine Alternative zu suchen. Keine „braune“ Alternative, versteht sich, aber ich werde berücksichtigen, dass hier eine nicht ausgesprochene Durchseuchungsstrategie gefahren wird. Ich wäre sogar bereit, für eine andere Pandemie-Politik auf die Straße zu gehen, aber ich bin vernünftig und solidarisch und weiß, dass dies gerade kontraproduktiv wäre. Und weil ich nicht auf die Straße gehen kann, nutze ich meine Stimme hier und wende mich direkt an Sie, in der Hoffnung, dass Sie das Ruder noch rumreißen, bevor es zu spät ist. SIE haben die Verantwortung, SIE können handeln, SIE müssen nicht warten, bis Frau Merkel Ihnen die Verantwortung abnimmt.

Vielleicht geht es für Sie am Ende des Tages vorrangig um die Wirtschaft oder darum, wie das Ergebnis im September sein wird, vielleicht ist das so. Aber für uns geht es um Leben und Gesundheit.
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Seck“

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