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Nachricht vom 21.06.2022    

Die moderne Metallbranche – ein Überblick

Der Westerwald mag sicherlich kein deutsches Zentrum der Metallindustrie sein. Dennoch spielt diese Branche auch hier eine entscheidende Rolle – vor allem in den letzten wichtigen Positionen einer zu mehreren Schwerpunkten verketteten Industrie.

Aluminium-Profile warten auf die Weiterverarbeitung. Die moderne Metallbranche ist eine der vielen Zwischenschritte bis zu sehr vielfältigen und perfekten Produkten. Foto Quelle: pixabay.com / abeldesign

Es ist noch nicht lange her, als selbst Einheimische die Frage nach dem industriellen Standing der Westerwaldregion wohl nur mit gekräuselter Stirn beantwortet hätten. Industrie im Westerwald abseits einiger Bergbaustandorte? Wo denn? Manche älteren Leser werden diese Epoche vielleicht sogar noch live erlebt haben.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Tatsächlich ist das produzierende Gewerbe in den vergangenen Jahrzehnten zum bedeutendsten einzelnen Wirtschaftsfaktor in der Region aufgestiegen: Zirka 50 Cent von jedem Euro, der im Westerwald erwirtschaftet wird, entfallen auf die Industrie – ein bemerkenswerter Wert in ganz Rheinland-Pfalz.

Zwar fällt hierbei so manchem wohl zuallererst die hiesige Steinzeug- und Glasindustrie ein, tatsächlich allerdings operieren bei uns einige bedeutende Anlagen- und Maschinenbaubetriebe, zudem verschiedene weitere metallverarbeitende Unternehmen. Sie sind der Grund dafür, warum der Westerwald ein wichtiges regionales Schlüsselelement in der modernen Metallbranche ist, die wiederum mehrere hintereinandergeschaltete Zweige umfasst.

1. Der Erzabbau
Ein ganz erheblicher Teil aller Metalle, die heute in den Handel kommen, stammt aus recycelten Altmetallen – ein beeindruckendes Zeugnis für die Möglichkeit, Metalle immer wieder sortenrein zu trennen und ohne Qualitätsverluste unzählige Male einschmelzen und zu neuen Produkten machen zu können. Beispielsweise besteht in Deutschland gefertigtes Aluminium (wie es beispielsweise in Koblenz bei Novelis produziert wird) zu fast 60 Prozent aus Recyclingmaterialien.

Doch so groß die diesbezüglichen Möglichkeiten sind, so überschreitet der „Metallhunger“ der Welt dennoch die vorhandenen Bestände deutlich. Ergo muss beständig neues Material erzeugt werden. Das geht nur durch diejenigen Unternehmen, welche die Erze

• finden,
• abbauen und
• reinigen,

damit daraus wiederholgenaue Rohstoffe werden. Hierbei allerdings ist Deutschland kein produzierendes Land (mehr). Nachdem über Jahrhunderte hier verschiedenste Erze gefördert wurden, wird aktuell nur eine geringe Menge Eisenerz rund um die NRW-Stadt Porta Westfalica abgebaut. Für die Förderung sind aufgrund der ungleich größeren Vorkommen völlig andere Staaten verantwortlich; vor allem Australien, China, Brasilien und Indien (speziell auf Eisen- und Kupfererz bezogen).

Allerdings bedeutet das nicht, dass Deutschland keine nennenswerten Vorkommen mehr hätte. Tatsächlich gibt es unter anderem im Siegerland sowie im Lahn-Dill-Raum in für unsere Region naheliegenden Gebieten weiterhin Vorkommen – bloß sind diese aktuell nicht wirtschaftlich abbaubar.

Wie schnell sich eine solche Situation jedoch wandeln kann, zeigt das Erzgebirge. Dort lag die Förderung ebenfalls jahrelang still, derzeit wird jedoch daran gearbeitet, die dortigen Lagerstätten für Indium, Wolfram und Zinn wiederzueröffnen. So werden dort unter anderem mehr als 200.000 Tonnen Wolfram vermutet. Dieses Metall ist unter anderem für spezielle Schweißverfahren sowie die Hartmetallfertigung äußerst bedeutsam.

2. Die rohmetallerzeugende Industrie
Die Rohstoffe mögen wichtig sein. Doch selbst wenn die Erze bereits im Rahmen der Förderung gebrochen wurden, sind sie noch verunreinigt und weit davon entfernt, ein nutzbares Metallprodukt zu sein.

Hier kommt nun die rohmetallerzeugende Industrie ins Spiel. Strenggenommen handelt es sich hierbei um einen Dachbegriff. Er umfasst einerseits alle Unternehmen, die Metallgussprodukte anfertigen und anderseits solche Betriebe, die Metallprodukte auf andere Weisen anfertigen.
Naturgemäß unterscheidet sich die Reihenfolge der Abläufe zwischen den verschiedenen Metallen teils erheblich. Zudem gibt es beispielsweise integrierte Hüttenwerke, die sämtliche Prozesse an einem Standort übernehmen. Grob schematisch lässt sich jedoch der Weg vom Erz zu einem sogenannten Halbzeug folgendermaßen darstellen:

1. Das Erz wird in einem Hochofenwerk aufgeschmolzen. Dabei trennen sich Metall(e) sowie Minerale. Zudem findet bereits ein weiterer Reinigungsprozess statt und/oder es wird sortenrein getrennter Metallschrott hinzugegeben.

2. Je nach Werkstoff wird das flüssige Metall a) sofort weiterverarbeitet, b) zu leichter transportierbaren Barren gegossen oder c) zu einem fertigen Guss-Endprodukt gegossen.

So könnte man beispielsweise Aluminium-Barren unterschiedlicher Größe gießen, die dann später in der weiteren Verarbeitung ganz nach Bedarf eingesetzt werden können. Etwa, um daraus mit weiteren Metallen eine Aluminiumlegierung herzustellen – ein Großteil aller Alu-Produkte besteht aus solchen Legierungen.

Mitunter ist das Rohmetall bereits ein fertiges Produkt. So wird Roheisen beispielsweise nur noch mit Schrott vermengt, um den Kohlenstoffgehalt einzustellen, und kann dann bereits als Gusseisen in Formen gegossen werden – fertig ist etwa ein Treppengeländer. In den meisten Fällen steht jetzt allerdings noch ein weiterer Schritt an, um ein brauchbares Grundprodukt herzustellen.

3. Die Sekundärmetallurgie
Viele Metalle, darunter besonders prominent Stahl, können durch Legierungen auf zahlreiche Arten in ihren Eigenschaften feinjustiert werden. Daher gibt es beispielsweise mehrere tausend unterschiedliche Stahlsorten weltweit. Doch nachdem das Rohmetall aus dem Hochofen kommt, ist es in aller Regel nur das: Ein roher Zwischenstoff, dem noch viele Eigenschaften fehlen.

Das wird in der Sekundärmetallurgie geändert – häufig ist sie der Rohmetallerzeugung aus energetischen Gründen angegliedert, damit das Metall nicht erst aushärtet und dann nochmals geschmolzen werden muss.

Hierbei geschehen nun drei Dinge:
1. Es werden sämtliche unerwünschten Bestandteile aus dem Metall entfernt.
2. Man gibt gewünschte Bestandteile in der benötigten Menge hinzu.
3. Das Metall wird zu einem End- oder transportablem Zwischenprodukt gegossen.

Beispielsweise könnte ein Stahlwerk hier massive Stahlstangen herstellen, aus denen in weiteren Schritten Drähte und Ähnliches gefertigt werden. Auch die Erzeugung von Platten wäre möglich, die dann im Werk zu großen Spulen – fachsprachlich Coils – gewickelt werden. Diese Technik verbindet zudem unsere Region mit dem Ruhrgebiet:

4. Die Metallveredlung
Wohl die meisten Leser dürften das Rasselstein-Werk in Andernach kennen und sich vielleicht noch an das zweite Werk in Neuwied erinnern. Diese Betriebe sind ein sehr gutes Beispiel dafür, was Metallveredlung bedeutet – zudem ist ersterer ein hervorragendes Beispiel für die industrielle Bedeutung unserer Großregion. Das Andernacher Werk ist der weltgrößte Hersteller von Verpackungsstählen.

Hier kommen die erwähnten Stahlblech-Coils aus einem Werk in Duisburg an. Da jedoch der Anspruch an Weißblech je nach Nutzung stark unterschiedlich ist, wird ein veredelnder Zwischenschritt benötigt. Um beim Beispiel der Weißblechveredlung zu bleiben, umfasst dies etwa folgendes:

• Walzen und Schneiden auf die benötigten Endmaße (speziell Blechdicke und -breite).
• Wärmebehandlung zum exakten Einstellen von Härte und Zähigkeit.
• Reinigung der Oberfläche durch Laugen und andere Methoden.
• Beschichten der Oberfläche mit anderen Materialien – das können durchaus ebenfalls Metalle sein. Etwa beim Verzinken.

Derartiges wird jedoch nicht nur mit Blechen praktiziert, sondern einer Vielzahl anderer Formen und Metallen. Dadurch befinden wir uns bereits sehr dicht am fertigen Endprodukt.

5. Die Metallverarbeitung
Je nach Art und Anwendung werden Metalle im jetzigen Zustand häufig zu Metallgroßhändlern gebracht, sofern sie nicht direkt aus der Veredelung zu einem (industriellen) Endkunden geliefert werden. Hierbei sind prinzipiell drei mögliche Herangehensweisen möglich – die in der Praxis häufig kombiniert werden.

Umformen: Hierzu werden verschiedenste umformende Verfahren genutzt, die aus einem geometrisch simplen Ausgangsmetallstück ein deutlich komplexeres Produkt machen. So kann beispielsweise eine flache Blechplatte durch Tiefziehen zu einer hochkomplex geformten (und dadurch deutlich stabileren) Pkw-Bodengruppe gemacht werden.

Trennen: Am Ausgangsmetall wird durch verschiedene Techniken Masse entfernt. Das wäre etwa der Fall, wenn ein Werkzeugbauer mittels CNC-Fräse ein Zahnrad aus einem Metallblock herausfräst.

Fügen: Mindestens zwei Bauteile werden ebenfalls mit unterschiedlichen Methoden miteinander verbunden. Etwa, wenn ein mittelständischer Metallbaubetrieb aus angelieferten und auf fertige Abmessungen getrennten Stahlstangen einer besonders harten Legierung ein Fenstergitter für den Einbruchschutz zusammenschweißt.

Teilweise ist damit das Metallprodukt fertig. Oftmals allerdings übernimmt die Metallverarbeitung jetzt noch weitere Schritte der Oberflächenbehandlung. Besonders solche, die keine komplizierten, nur großindustriell handhabbaren Herangehensweisen benötigen. Vom Polieren über das Glasperlenstrahlen bis hin zum Lackieren, Bedrucken und Pulverbeschichten ist hier enorm viel möglich. Teilweise wird bei Eisenwerkstoffen sogar etwas getan, was auf den ersten Blick kontraproduktiv wirkt: Die Stücke werden durch spezielle Techniken absichtlich zum Rosten gebracht, damit sogenannter Edelrost entsteht.

Manche Metallprodukte können nach all diesen aufwendigen Schritten Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte überdauern. Denken wir an das Geländer auf und den Monierungsstahl in der bekannten Erbacher Brücke. Ebenso kann das fertige Endprodukt trotz aller Komplexität jedoch mitunter nur eine Lebensdauer von nur einigen wenigen Stunden haben. Wer das nicht glauben kann, sollte beim nächsten Mal in der Küche einen sehr genauen Blick auf Getränke- und Konservendosen werfen. Wurden sie geöffnet, ist ihr Dienst vollbracht.

Aber, und das ist das Schöne bei allen Metallen, diese Dosen sind nur einen Wurf in die richtige Mülltonne und ein gezieltes Trennen bei der Müllverarbeitung davon entfernt, in einem der ersten Schritte der modernen Metallbranche ein neues Leben zu bekommen. Diesmal vielleicht als Edelstahlring, Fensterscharnier oder Teil einer Motorhaube. (prm)

Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem externen Redakteur Hendrik Melcher.



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