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Nachricht vom 09.08.2021    

Steuerwettbewerb: Wie Städte Unternehmen anlocken

Dass manche Staaten als Steueroasen um internationale Firmen buhlen, ist altbekannt. Dagegen läuft der Konkurrenzdruck auf kommunaler Ebene in Deutschland fast unbemerkt. Gerade kleinere Städte müssen die Gewerbesteuern möglichst gering halten, wenn sie den Metropolen ein paar Unternehmen abwerben wollen. Auch Gemeinden in der Region Westerwald versuchen sich daran.

Foto Quelle: pixabay.com

Die aktuelle Diskussion um eine globale Mindeststeuer für Unternehmen hat hohe Wellen geschlagen. Damit sich Weltkonzerne wie Amazon oder Facebook nicht mehr nach Belieben das günstigste Steuerland für ihre Geschäfte heraussuchen können, wollen die G7-Staaten einen weltweiten Minimalsteuersatz von 15 Prozent einführen. Ob es Steuerparadiese wie Zypern, Luxemburg oder die Bahamas allerdings am Ende wirklich so viel unattraktiver für bestimmte Unternehmen machen würde, bezweifeln Experten. In Deutschland dagegen brauchen sich die Städte, zumindest bislang, keine Sorgen zu machen, dass ihnen von den Bundesländern oder vom Bund Vorgaben bei der Besteuerung von Gewerbe gemacht wird. Sie dürfen weiterhin einen Wettbewerb um Firmenansiedlungen austragen, der von der Öffentlichkeit weit weniger beäugt wird als die globale Unternehmenssteuer.

Mit einer niedrigen Gewerbesteuer können sich die Kommunen in Deutschland einen gewichtigen Standortvorteil verschaffen. Das ist auch und gerade dann der Fall, wenn sie sich nicht damit rühmen können, eine attraktive und gefragte Großstadt mit entsprechendem Umfeld zu sein. Von ihrem Recht, die Gewerbesteuer selbst zu bestimmen, machen die Kommunen gerne Gebrauch. Infolge der wirtschaftlichen Einbußen durch die Corona-Krise hat sich das Absenken des so entscheidenden Gewerbesteuer-Hebesatzes noch einmal beschleunigt, wie eine Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zeigt. Darin aufgelistet sind sämtliche Hebesätze deutscher Kommunen aus allen 16 Bundesländern. Auch Städte in der Region Westerwald könnten demnach bei Unternehmen mit relativ niedrigen Sätzen punkten. Doch wie berechnet sich die Gewerbesteuer überhaupt? Welche Unternehmen profitieren besonders von niedrigeren Hebesätzen? Und welche Städte treiben den Wettbewerb voran? Wir geben einen Überblick.

Gewerbesteuer: Die Zusammensetzung macht´s
Als Element der Unternehmensbesteuerung in Deutschland ist die Gewerbesteuer ‒ etwa im Gegensatz zur Körperschaftsteuer ‒ keine Steuer des Bundes, sondern wird von den Kommunen erhoben. Jeder Gewerbetreibende ist grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig, nur Freiberufler sind ausgenommen. Richtwert ist der Gewinn eines Unternehmens pro Jahr. Dabei haben Personengesellschaften und Einzelunternehmen einen Freibetrag von 24.500 Euro im Jahr zur Verfügung. Liegt der Gewinn darüber, fallen bundesweit im ersten Schritt 3,5 Prozent Gewerbesteuer auf den entstandenen Übertrag an. Kapitalgesellschaften müssen die Gewerbesteuer grundsätzlich vom ersten Euro Gewinn an abführen, ohne einen Freibetrag ausschöpfen zu dürfen. Der Betrag, den die 3,5 Prozent des zu versteuernden Gewinnanteils bilden, wird Gewerbesteuermessbetrag genannt. Dieser wird in einem zweiten Schritt mit dem jeweiligen Hebesatz der Kommune multipliziert. Ein Hebesatz beträgt mindestens 200 Prozent, ist aber nach oben hin offen.

Beispielrechnungen
Um den großen Effekt des Hebesatzes einmal zu verdeutlichen, helfen folgende Beispielrechnungen weiter:

• Eine offene Handelsgesellschaft (oHG) erreicht einen Jahresgewinn von 100.000 Euro. Da sie zu den Personengesellschaften zählt, steht ihr der Freibetrag von 24.500 Euro zur Verfügung. Es verbleiben also 75.500 Euro zu versteuernder Gewinn. Auf diesen Wert fallen zunächst die 3,5 Prozent fixe Gewerbesteuer an, was lediglich zu einer Steuerlast von 2.642,50 Euro führt. Dies ist der Gewerbesteuermessbetrag. Legen wir nun den deutschlandweit durchschnittlich festgelegten Hebesatz von 435 Prozent zugrunde, werden aus den 2.642,50 Euro auf einmal 11.494,88 Euro.

• Würde es sich etwa um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), also eine Kapitalgesellschaft handeln, wäre dieser Hebesatz-Effekt noch einmal extremer, da der Freibetrag nicht genutzt werden dürfte. So fielen zunächst auf die vollen 100.000 Euro Gewinn die 3,5 Prozent Gewerbesteuer an, was zu 3.500 Euro zu versteuerndem Gewinn führen würde. Dieser Wert mit dem Hebesatz von 435 Prozent multipliziert, ergibt eine Gesamtsteuerlast von stolzen 15.225 Euro.


Ein vermeidbares Übel
Zu betonen ist in dem Zusammenhang noch einmal, dass solche Beträge eben alleine für die Gewerbebesteuerung anfallen. Andere Unternehmenssteuerarten wie die erwähnte Körperschaftsteuer oder die Grundsteuer kommen noch hinzu und vergrößern die Abgabenlast für Firmen einmal mehr. Da verwundert es nicht, dass sie sich immer häufiger auf die Suche nach einem Standort mit einem geringeren Hebesatz begeben, was sich insbesondere für Kapitalgesellschaften lohnt. Dies ist nicht nur der Fall, weil ihnen der Freibetrag fehlt und laut DIHK etwa die Hälfte ihrer Steuerbelastung von der Gewerbesteuer erzeugt wird. Vielmehr ist ihnen auch anderweitig eine ordentliche Steuerbelastung auferlegt, beispielsweise beim Betriebsvermögen einer GmbH oder der Veräußerung von Anteilen.

Wer als Unternehmen also nicht auf eine bestimmte Großstadt als Standort angewiesen ist, kann das Übel eines allzu hohen Hebesatzes durch einen Umzug vermeiden. Städte, die ihren Hebesatz absenken und solche Unternehmen damit anlocken, nehmen zwar bei den einzelnen Firmen nicht mehr so viel ein wie vorher. Oftmals gleicht sich dies aber wieder durch die neuen Einnahmen aus hinzugekommenen Betrieben aus oder übersteigt den bisherigen Betrag aus den Gewerbesteuereinnahmen sogar. Und letztlich wirkt sich jede Unternehmensansiedlung nicht nur gewerbesteuerlich aus. Zum Beispiel werden ebenso neue Fachkräfte angezogen, womit die Attraktivität und das Ansehen der Stadt steigen. Zusätzliche Nebeneinnahmen aus einer wachsenden Einwohnerzahl tragen ihr Übriges dazu bei. Außerdem kann vielfach die Arbeitslosenzahl durch den Zuzug großer Unternehmen reduziert werden.

Senkungstrend vor allem in NRW
Wie die bereits erwähnte jährliche Erhebung der DIHK ermittelt hat, ist 2020 der durchschnittliche Gewerbesteuer-Hebesatz bundesweit um 1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Diese recht niedrige Zahl deutet nur vage an, welcher Wettbewerb sich mittlerweile in einzelnen Regionen abspielt. Besonders in Nordrhein-Westfalen wollen offenbar viele Kommunen Unternehmen anlocken, was an den großen Ballungsräumen des bevölkerungsreichsten Bundeslandes liegen dürfte, die besondere Anziehungskraft besitzen. Zugleich ist NRW aber das Flächenland mit dem höchsten Hebesatz-Durchschnitt Deutschlands: Er liegt hier bei stolzen 595 Prozent. Das erklärt sich durch die besonders hohen Hebesätze in vom Strukturwandel gebeutelten Ruhrgebietsstädten, die sich dadurch Mehreinnahmen erhoffen. Oft erreichen sie jedoch das Gegenteil damit, weil Firmen in günstigere Gefilde wegziehen. Dies ist ein echtes Dilemma für die Region.

Dagegen hat der traditionell niedrige und vom Bürgermeister regelrecht zum Langzeitkonzept erhobene Hebesatz der Stadt Monheim am Rhein inzwischen einen Kultstatus erreicht. Er liegt konstant bei 250 Prozent, was die Kommune nicht nur zu einem der größten Gewerbesteuerparadiese der Republik macht, sondern Monheim durch viele neue Firmenansiedlungen vom einstigen Schuldenberg befreite. Da einige Unternehmen aus dem Umland nach Monheim umsiedelten, wird die dortige Hebe Satzpolitik von Nachbarstädten wie Kaarst kritisiert. Dort sind die Rathäuser gewissermaßen unter Zugzwang gesetzt, den Hebesatz ebenfalls zu senken, wenn sie den Anschluss nicht verlieren wollen.

Verwundern mag es auf den ersten Blick, dass in der DIHK-Studie eine Großstadt ganz vorne liegt, was den größten Senkungsschritt des Hebesatzes 2020 gegenüber 2019 angeht: Leverkusen drückte binnen eines Jahres seinen Hebesatz auf denselben Wert wie Monheim, was einer drastischen Reduzierung um beinahe der Hälfte entsprach. Über die Gründe findet sich in der Studie keine Angabe. Offenbar erhofft sich der Stadtkämmerer deutlich höhere Steuereinnahmen davon und eine stärkere Bindung bereits ansässiger Unternehmen an Leverkusen, da manche Bereiche der Wirtschaftsförderung ins Stocken geraten sind.

Region Westerwald zeigt sich moderat
Die Kommunen unserer Heimatregion landen zumeist im Mittelfeld der bundesweiten Hebesatz-Skala. Montabaur kommt als Verwaltungssitz des Westerwaldkreises auf 370 Prozent und liegt damit ungefähr im Durchschnitt desselben sowie auch im rheinland-pfälzischen Durchschnitt. Auch die Verbandsgemeinde Hachenburg zeigt sich mit 365 Prozent moderat gegenüber Unternehmen. Westerburg und Bad Marienberg legen die Messlatte mit Hebesätzen von 385 bzw. 380 Prozent dagegen etwas höher. Dennoch bieten wohl die meisten Kommunen im Westerwald einen gewerbesteuerlich attraktiveren Standort für Firmen als die einschlägigen Großstädte in Reichweite. Schließlich berechnet beispielsweise Koblenz als Hebesatz immerhin schon 420 Prozent, Mainz 440, Frankfurt am Main 460 und Köln gar 475 Prozent.

Corona-Krise reißt Loch in Gewerbeeinnahmen
Da infolge der Corona-Krise zahlreiche Unternehmen 2020 Umsatzeinbußen verzeichneten und sich dies teilweise noch 2021 fortsetzt, sanken auch die Gewerbesteuereinnahmen für die Städte. Zwar haben Bund und Länder ihnen die Ausfälle immerhin für 2020 erstattet, doch wie die Lage für das laufende Jahr aussieht, ist noch unklar. Die DIHK befürchtet deshalb Haushaltsprobleme der Städte, die diese über höhere Gewerbesteuern auch auf Unternehmen abwälzen könnten. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund signalisierte dagegen bereits Entwarnung für die Wirtschaft. Zwar müssten die Kassen wieder ausgeglichen werden, zulasten von Bürgern und Unternehmen solle das aber nicht gehen. Einige Städte werden schneller aus der Misere kommen, andere schlechter. Das wiederum könnte den zukünftigen kommunalen Wettbewerb um steuerliche Vorteile für Firmen weiter verschärfen. (prm)

Agentur Autor:



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