Werbung

Nachricht vom 28.01.2018    

Migrantenkinder haben es schwerer

Erfolg in der Schule ist für Ausländerkinder und Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund deutlich schwerer zu erreichen als für deutschstämmige Schüler, stellte Professor Rainer Geißler bei einem Vortrag im Evangelischen Gymnasium Bad Marienberg fest.

Professor Rainer Geißler spricht bei seinem Vortrag im Ev. Gymnasium Bad Marienberg über Bildungschancen von Migranten. Foto: Sabine Hammann-Gonschorek

Bad Marienberg. Nach einer Begrüßung durch Schulleiter Dirk Weigand belegte der renommierte Soziologe der Universität Siegen vor rund 80 interessierten Zuhörern mit Hilfe zahlreicher Statistiken den nachteiligen Einfluss eines Migrationshintergrundes auf die Schulleistung. Dabei spiele auch eine Rolle, dass Migranten häufiger in der unteren sozialen Schicht stärker vertreten seien, als in Mittel- oder Oberschicht, sagte Geißler. Nach einer Untersuchung der PISA Studie ist es für Kinder von Akademikern und Unternehmern sechsmal wahrscheinlicher ein Gymnasium zu besuchen als für Kinder aus anderen Schichten. Die Leistungsbeurteilung von Grundschülern unterliege häufig einem Phänomen, das Geißler „wohlwollende Diskriminierung“ nannte. Er belegte anhand von Statistiken zur Lesefähigkeit, dass Kinder von ungelernten Arbeitern durchschnittlich einen Lernvorsprung von zwei Jahren haben müssen, um für das Gymnasium vorgeschlagen zu werden. Während Kinder aus oberen Schichten auch vorgeschlagen werden, wenn sie unterdurchschnittlich gut lesen. Geißler sagte, die Annahme, im Elternhaus gebe es keine oder wenig Unterstützung bei den Hausaufgaben, bewege Grundschullehrer zu einer schlechteren Beurteilung der Schüler. Professor Geißler berichtete beispielhaft von einer seiner türkischstämmigen Studentinnen, die aus einem Analphabetenhaushalt stammte. Die Studentin erhielt für ihre Abschlussarbeit in der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Siegen den Preis für die beste Arbeit. In der Grundschule war sie jedoch nicht für das Gymnasium vorgeschlagen worden. Generell seien Kinder aus türkischen Familien, die gleichzeitig einen relativ hohen Anteil der rund 4,4 Millionen Schüler an deutschen Schulen (Zahlen aus dem Schuljahr 2011/2012) stellen, besonders stark benachteiligt. Professor Geißler beklagte eine schlechte Förderkultur im deutschen Bildungssystem, die auch im statistischen Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten der OECD besonders negativ sei. Die OECD-ist eine internationale Organisation mit 35 Mitgliedstaaten, die sich der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen. Die meisten OECD-Mitglieder gehören zu den Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen und gelten als entwickelte Länder. Während in Kanada und Australien kein Unterschied in den Bildungschancen von Ausländern und Einheimischen ausgemacht werden könne, sei es als Migrantenkind in Deutschland viel schwerer den gleichen Abschluss zu erzielen wie für ein deutschstämmiges Kind. Deutschland habe eine „stark unterentwickelte Förderkultur“, sagte Geißler. Auch die Beurteilung der Lehrerleistung rangiere auf den unteren Plätzen. Es gebe in Deutschland höchstens halb so viele schulische Fördermaßnahmen wie im Durchschnitt der OECD-Länder.



Hier werde das geistige Potential der Bevölkerungsgruppe der Migranten verschenkt, resümierte Geißler. Er forderte höhere Ausgaben für die Bildung, die im OECD-Vergleich in Deutschland auf dem fünftletzten Platz rangieren (5,3 Prozent im Haushalt 2009). Geißler schloss seinen Vortrag mit einem Zitat von John F. Kennedy: “There is only one thing in the long run more expensive than education: no education. (Das Einzige, das auf lange Sicht teurer ist als Bildung ist: keine Bildung.)”

Der Vortrag „Verschenkte Ressourcen – Bildungschancen und Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund“ wurde ermöglicht vom Bildungsforum des Evangelischen Gymnasiums, das vom Förderverein der Schule finanziert wird. Professor Rainer Geißler ist Verfasser mehrerer sozialwissenschaftlicher Werke, unter anderem „Die Sozialstruktur Deutschlands“, das im Bereich Sozialwissenschaften als Standartwerk gilt. Sein wichtigstes Forschungsgebiet ist die Sozialstrukturanalyse und die Erforschung sozialer Ungleichheit. (shg)



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Westerwaldkreis mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.



Lokales: Bad Marienberg & Umgebung

Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Bad Marienberg auf Facebook werden!


Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Region


Angriff aus der Luft: Raubvogel attackiert Joggerin zwischen Lützelauer Mühle und Limbach

Limbach. Die Sportlerin, die zu ihrer gewohnten Jogging-Runde aufgebrochen war, erlebte eine böse Überraschung, als hätte ...

Geldautomatensprengungen in Montabaur, Andernach und Köln: 20-Jähriger dringend tatverdächtig

Region. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei Köln führen nach mehreren Geldautomatensprengungen umfangreiche Ermittlungen ...

Unbekannte zünden "Mon-Stiletto" Schuhskulptur in Montabaur an - Zeugen gesucht

Montabaur. Gegen 15.15 Uhr konnten Passanten beobachten, wie die "Mon-Stiletto" Skulptur, ein markantes Wahrzeichen der Stadt, ...

Verstärkte Polizeikontrollen decken Alkohol- und Drogenmissbrauch im Straßenverkehr auf

Westerwaldkreis. Nach einem Hinweis aus der Bevölkerung trafen die Beamten der Polizei am 22. April um 17.25 Uhr zwei junge ...

Rätselhafter Einbruch in Wirges: Diebe entkommen mit britischem Auto

Wirges. In den Morgenstunden des heutigen Mittwochs (24. April) zwischen 11.04 Uhr und 11.13 Uhr wurde ein Einfamilienhaus ...

Neuer Pflegegradrechner der Verbraucherzentralen hilft bei Selbsteinschätzung

Region. Leistungen der Pflegeversicherung sind nur für Personen erhältlich, die im Rahmen einer Pflegebegutachtung einen ...

Weitere Artikel


Großes Interesse an den Vogelarten des Westerwaldes

Obererbach. Seit über 40 Jahren untersucht der Referent, Leander Hoffmann aus Obererbach, die Vogelwelt im südlichen Westerwald. ...

Greenpeace weist Weg zum weltgrößten Meeresschutzgebiet

Hachenburg. „Die Antarktis erscheint vielen so weit weg; dabei ist sie unser gemeinsames Welterbe und gehört uns allen. Wir ...

Vorträge und Fortbildungen für Bienenfreunde

Stockum-Püschen. Fortgesetzt werden die Vorträge am Donnerstag, 8. März, 19 Uhr mit dem Vortrag: "Bienenwachs und Wabenbau ...

Diebstahl, Drogen und Unfallflucht

Mogendorf. Auf dem Parkplatz des "Maxi-Autohof" wurde am Freitag, 26. Januar, in der Zeit von 18.08 Uhr und 19.10 Uhr das ...

Mehrere Einbrüche im Westerwaldkreis

Bad Marienberg. Im Zeitraum 24. Januar, 10:30 Uhr bis 27. Januar, 10:15 Uhr hebelten bislang unbekannte Täter die Terrassentür ...

Eisbären verstärken sich mit Rückkehrer Tautz

Nentershausen. In den zurückliegenden dreieinhalb Jahren spielte Tautz in den USA, wo er für das Hastings College im US-Bundesstaat ...

Werbung