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Nachricht vom 25.09.2017    

Vortragsabend zu „Reformation macht Schule“ im Gymnasium

Vom Zusammenspiel zwischen schulischer Bildung und Reformation in der heimischen Region hat Dr. Sebastian Schmidt im Evangelischen Gymnasium Bad Marienberg berichtet. In seinem Vortrag „Reformation macht Schule“ gab Dr. Schmidt, der an der Universität Trier zu Alltags- und Sozialgeschichte, Konfessionalisierung und Staatsbildungsprozesse in der Frühen Neuzeit forschte und seit zwei Jahren im Lehramt am Evangelischen Gymnasium tätig ist, einen Überblick über die Reformatorischen Ereignisse.

Dr. Sebastian Schmidt berichtet in seinem Vortrag über "Schule und Reformation". Fotos: Sabine Hammann-Gonschorek

Bad Marienberg. Die protestantischen nassauischen Grafschaften und insbesondere Nassau-Dillenburg seien als Musterfall einer konfessionell bestimmten Staatsbildung in der Frühen Neuzeit beschrieben, berichtete Schmidt und gelten geradezu als ‚Paradebeispiel’ von übergeordneten Theorien zur modernen Staatsbildung. Bei der Reformation in Nassau handele es sich um den Typ Fürstenreformation. Es war Wilhelm von Nassau-Dillenburg, der die Reformation in der Grafschaft einführte. Der genaue Zeitpunkt, an dem er sich den reformatorischen Ideen zuwandte, ist in der Forschung umstritten. Kontakte zu reformierten Strömungen bestanden auf vielfältige Weise. So war der nassau-dillenburgische Landesherr 1521 persönlich auf dem Reichstag zu Worms anwesend.

Im Anschluss ging Schmidt auf die Schulpraxis in der heimischen Region ein, die aus den damaligen Schulprotokollen ersichtlich ist. Der bedeutendste Wandel durch die Reformation sei im Schulwesen festzustellen. Dies sei nicht verwunderlich, da die Reformation und die damit verbundene Konfessionsbildung die Belehrung über die neuen Glaubensinhalte als zentrales Anliegen voranbrachte. Kirchliche und schulische Bildung waren dabei aufs engste miteinander verbunden.

Das enge Verhältnis von Kirche und Schule kam oft auch räumlich zum Ausdruck, indem Schule zunächst vor allem noch in Kirchenräumen gehalten wurde. So war die Dillenburger ebenso wie die Siegener Lateinschule unter dem Kirchendach zu finden. Auf dem Land wurde oftmals in den Kapellen der Orte Schule gehalten. In vielen Städten, in denen es bis zu diesem Zeitpunkt noch keine weiterführenden Schulen gegeben hatte, werden Mitte des 16. Jahrhunderts nun Lateinschulen als Vorgänger der späteren Gymnasien neu gegründet. Dies lässt sich auch für die Grafschaft Sayn beobachten, wo es in Hachenburg und Altenkirchen zur Einrichtung evangelischer Lateinschulen nach der Reformation kommt.

Die Berichte aus den Visitationen zeigen hier allerdings beim Landschulwesen ein anderes Alltagsbild, als es die Verordnungen als Zielvorstellung formulierten. In den kleineren Orten und Kirchspielen, in denen der Pastor dieses Amt mit versah, waren keine eigenständigen Schulen vorhanden. Gleiches gilt für die saynischen Gebiete. So hatte Norken selbst etwa keine Schule, sondern schickte die Kinder in die Kirchspielschule nach Kirburg. Dieser Unterschied erklärt sich aus der Bezahlung des Schulmeisters, die in den Gemeinden von den Gemeindegliedern selbst entrichtet werden musste. Zahlte man in den Städten Mitte den Lehrern zwischen 20-30 Gulden und damit nahezu einen Facharbeiterlohn eines Maurer- und Zimmergesellen, bekam ein einfacher Dorfschulmeister erheblich weniger.

Das Lehramt an den Kapellenschulen bot damit nie mehr als einen Nebenverdienst, wie etliche Klagen über die Amtsführung der Lehrer belegen. So erfährt man aus den Visitationsakten, dass eine Gemeinde mit dem Schulmeister unzufrieden war, weil er außer dem Schulunterricht noch weiteren Arbeiten nachging: So würde er nebenher Brandwein und Bier ausschenken und öfters die Schule versäumen, weil er nach Frankfurt auf die Messe zöge. Der Pastor entschuldigte den Schulmeister und wies darauf hin, dass dies „aus mangel underhalts“ geschehen sei.



Der Schulmeister versprach daraufhin der Visitation, den Branntweinverkauf einzustellen, das „Kram werck“ jedoch - so versicherte er der Kommission - hindere ihn nicht an seinem Dienst. Gleichermaßen gibt es häufig Kritik an den Dorfschullehrern aus der Gemeinde, die sich nicht nur auf die Abwesenheit der Lehrer beziehen. So warf man einem Lehrer seiner „Blödigkeit halber“ vor, er schaffe es nicht, die Kinder ordentlich im Gesang zu führen. In einigen Fällen erschienen die Lehrer betrunken im Unterricht oder misshandelten die Schüler. So kritisierte die Visitation an dem Haigerer Schulmeister, dass er kürzlich einen Jungen „übell geschlagen“ habe.

Ein beständiges Problem stellte der Schulbesuch dar. Beim Schulbesuch unterschied man bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts weiterhin zwischen einer Winter- und einer Sommerschule. Während für den Besuch der Winterschule über die ganze Zeit so gut wie keine Beschwerden vorliegen, verhält es sich mit dem Besuch der Schule in der sommerlichen Jahreszeit gänzlich anders. Bereits auf der Visitation 1590 hatte der Ewersbacher Pastor festgestellt, dass die Eltern ihre Kinder zum Viehhüten auf dem Feld benötigten und deshalb im Sommer kein Kind die Schule besuchen könne. Im Sommer sollte ohnehin nur an zwei Tagen in der Woche, dienstags und freitags, Schule gehalten werden. Das Interesse der Kirche stand hier im Gegensatz zum Interesse der Landbevölkerung, die im Sommer jede helfende Hand bei der Feld- und Hofarbeit benötigte.

Der Unterricht litt ebenso an den unzulänglichen Schulräumlichkeiten. Häufig wurde Klage über zu kleine und zu enge Schulräume geführt. An den Schulräumlichkeiten wurde offenbar sehr gespart, denn 1611/12 klagten verschiedene Kirchspiele, dass die Schulstuben zu klein seien, sodass „die Kinder nicht hinein kommen“ könnten. Manche befanden sich offenbar in völlig desolatem Zustand, denn auf der Visitation wurde angezeigt, dass man statt der Schüler die Schweine darin untergebracht hatte. Nach dem fundierten Vortrag Dr. Schmidts nutzten die rund 25 interessierten Zuhörer die Gelegenheit zu zahlreiche Fragen zur Schulpraxis nach der Reformation. (shg)


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